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Politik: Und jetzt NRW?

Eine Niederlage an Rhein und Ruhr wäre für die SPD der Gipfelpunkt einer Verlustserie in den Bundesländern

Berlin - CDU-Generalsekretär Volker Kauder blieb zurückhaltend: An diesem Sonntag gehe es vor allem um eine Landtagswahl, darum, dass Nordrhein-Westfalen eine andere Regierung bekomme. Angesichts der erstmals seit Jahrzehnten möglichen Regierungsübernahme seiner Partei unterdrückte er voreilige Worte des Triumphes. Auch SPD-Chef Franz Müntefering wollte das NRW-Ergebnis mit Blick auf die Lage von Rot-Grün im Bund nicht zu hoch bewerten: „Das hat damit nicht unmittelbar zu tun“, sagt er.

Aber mittelbar eben doch. Denn gut ein Jahr vor der Bundestagswahl ist laut Umfragen die Ablösung der SPD als Regierungspartei nach 39 Jahren wahrscheinlicher als ein knapper Sieg von Rot-Grün. Die letzte rot-grüne Landesregierung steht also auf dem Spiel – im größten Bundesland. Das hat viel Symbolkraft. Das Koalitionsmodell im Bund wäre auf Landesebene ausgelaufen, nachdem zuvor schon in Schleswig-Holstein keine Mehrheit für Rot-Grün mehr zu Stande gekommen war. Kein Wunder also, dass alle Seiten vor dieser Wahl etwas nervöser wirkten als sonst.

Am wenigsten noch hatte die CDU Anlass dafür. Nach den Umfragen wird sie wohl stärkste Partei werden und kann sich damit auf der Siegerstraße Richtung 2006 fühlen. Eine Niederlage der SPD in NRW hingegen wäre der deprimierende Gipfelpunkt der Serie von Wahlniederlagen in den Ländern seit der Regierungsübernahme von Gerhard Schröder im Jahr 1998. Damals gab es noch in fünf Ländern einen Unions-Ministerpräsidenten, in elf hatte der Regierungschef ein SPD-Parteibuch. Geht NRW für die SPD verloren, ist das Verhältnis umgekehrt: Dann wäre in zwölf Ländern die Union vorn.

Ein Land nach dem anderen kippte in den letzten sechs Jahren: In Hessen kam Roland Koch an die Regierung und triumphierte trotz CDU-Finanzskandal ein zweites Mal, im Saarland gelang auch Peter Müller ein solcher Doppelerfolg. In Sachsen-Anhalt löste Wolfgang Böhmer von der CDU seinen SPD-Vorgänger Reinhard Höppner ab. In Niedersachsen, wo Gerhard Schröder 1998 als Ministerpräsident bei der Landtagswahl deutlich siegte, verlor sein Nachfolger Sigmar Gabriel vor zwei Jahren fast 15 Prozentpunkte und musste an den CDU-Herausforderer Christian Wulff übergeben. Noch weiter im Norden kamen in Hamburg und zuletzt in Schleswig-Holstein CDU-Politiker ins höchste Regierungsamt. Fast immer machten die SPD-Verlierer in den Ländern einen Erklärungsgrund ausfindig, den zuletzt auch Peer Steinbrück in Düsseldorf angesichts der nahenden Niederlage erwähnte: der „Bundestrend“ sei nicht günstig. Einzig in Berlin gab es während Schröders Kanzlerschaft einen Wechsel zu Gunsten der Sozialdemokraten: Klaus Wowereit löste Eberhard Diepgen ab. Dass ihnen auch in Sachsen nach 14 Jahren CDU-Alleinregierung 2004 die Beteiligung an der Regierung gelang, lässt die SPD-Bilanz kaum freundlicher erscheinen, war die Partei doch unter die Zehnprozentmarke gefallen.

Mindestens so schmerzhaft wie für die SPD wäre eine Ablösung der rot-grünen Koalition für den kleinen Partner. Die Grünen wären dann an keiner Landesregierung mehr beteiligt. Das ist der FDP noch nie passiert. Ähnlich wie die Freien Demokraten vor Jahren, als sie zu Ende der Kohl-Ära an die Union geschmiedet schienen, wirken nun die Grünen fast schicksalhaft an die SPD gebunden. Schwarz-grüne Gedankenspiele aber, wie sie etwa in Baden-Württemberg angestellt werden, sind angesichts der Bundestagswahl in einem Jahr kaum opportun.

Auch die FDP, die sich zuletzt noch 1700 Großplakatwände sponsern ließ, um kurz vor dem Wahlsonntag noch mal richtig aufzufallen, hatte allen Grund, nervös zu sein. Unter Jürgen Möllemann hatte sie vor fünf Jahren mit 9,8 Prozent denkbar gut abgeschnitten. Ein schwer zu wiederholender Erfolg. Zudem hatte sie mit ihrem schwachen Abschneiden in Schleswig-Holstein ein schwarz-gelbes Bündnis in Kiel vermasselt. Eine Wiederholung in NRW wäre für Parteichef Guido Westerwelle kein guter Ausweis bei der Bewerbung für 2006.

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