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Politik: Und sie bewegen sich doch

Die Zuwanderungsgespräche stehen vor dem Durchbruch – selbst der Konflikt um Terrorgefahren scheint lösbar

Von Robert Birnbaum

Der Aufmarsch ist ungewöhnlich, der Ertrag ungewöhnlich dünn: Vier Landesinnenminister und Hartmut Koschyk für die Fraktion hat die Union am Mittwoch aufmarschieren lassen, um unmittelbar vor der nächsten Vermittlungsrunde über das Zuwanderungsgesetz noch einmal mit Nachdruck zu fordern – was sie immer schon gefordert hat. Die Union wolle „nicht draufsatteln“, versichert Koschyk denn auch ausdrücklich. Der Auftritt mit dem Bayern Günther Beckstein (CSU) an der Spitze bestätigt, was sich seit voriger Woche abzeichnet: Am Streit um Sicherheitsfragen wird ein Zuwanderungskompromiss kaum mehr scheitern.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat in Vorbereitung der Mittwochsrunde eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, wie terrorverdächtige Ausländer leichter ausgewiesen oder in Deutschland in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt werden können. Dazu zählen strenge Meldeauflagen und das Verbot, den Wohnort zu verlassen. Denn das Hauptproblem sind nach Schilys Einschätzung, der auch CDU und CSU nicht wirklich widersprechen, nicht etwa zu strenge Abschiebe-Regeln. Abgesehen von dem viel zitierten Sonderfall, dass ein nachgewiesener Aufenthalt in einem Al-Qaida- Ausbildungscamp in Afghanistan nicht als Straftat und also als Grund für eine Ausweisung gilt, ist ein anderer Fall viel häufiger: Der Verdächtige kann nicht ausgewiesen werden, weil ihm in seiner Heimat Folter und Tod drohen. Koschyk hat Darstellungen eilig widersprochen, die Innenpolitiker der Union wollten an diesem Abschiebeschutz aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention rütteln. Auch Beckstein stellt klar: „Eine Abschiebung in den sicheren Tod, das ist nicht möglich.“ Also bleibt nur, Verdächtige wenigstens in ihrer Bewegungsfähigkeit einzuschränken.

Unionsforderungen und Schilys Vorschläge liegen hier sehr dicht beieinander: Wenn Polizei oder Sicherheitsbehörden zu dem Schluss kommen, dass ein Ausländer eine Gefahr darstellt, soll die Ausländerbehörde die Ausweisung oder Auflagen verfügen dürfen. Zwischen 1000 und 3000 Personen bundesweit, schätzt Beckstein, wären davon betroffen. Ein solcher Beschluss bleibt vor Gericht anfechtbar. Beckstein fordert dafür ein verkürztes Verfahren. Aber ebenso wie andere Nebenforderungen – etwa nach Regelanfrage bei den Sicherheitsbehörden vor jeder dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung – betrachten die Unionspolitiker das sichtlich selbst nicht als letztlich ausschlaggebend für ihr Ja oder Nein zum Zuwanderungskompromiss.

Aus der Union hat es zu Schilys Vorstellungen schon positive Kommentare gegeben. Und von den Grünen nur noch sehr hinhaltende negative: Grünen-Unterhändler Volker Beck verweist neuerdings vor allem darauf, dass es problematisch sein könnte, die Sicherheitsfragen innerhalb des Zuwanderungsgesetzes zu regeln, weil sie formal bisher nicht Bestandteil des rot-grünen Entwurfs waren. Aber dieser Formaleinwand ist sichtlich ein Rückzugsgefecht – Beck weiß, dass die Union im Zweifel auch einem eigenen Gesetz zustimmt, wenn nur in der Sache jetzt Einigung erzielt wird. Die sollte es, vermuten alle Beteiligten vor der Sitzung, in der Mittwochsrunde noch nicht geben. Zu sehr steckt der Teufel im Detail. Nur eins davon hat Schily vor dem Treffen noch einmal herausgestellt: Dass die Union schon den Verdacht auf Beteiligung an „Extremismus“ zum Ausweisungsgrund machen will, geht ihm zu weit; der SPD-Politiker will Hinweise auf Mitwirkung an „Terrorismus“ zum entscheidenden Kriterium machen.

Überdies stehen bei den Unterhändlern aber noch zwei Themen an, die eine rasche Einigung unwahrscheinlich machen. Die Grünen fordern – als Ausgleich für weitgehende Zugeständnisse auf anderen Gebieten – verbesserte Regelungen beim humanitären Flüchtlingsschutz. So soll nach ihrem Willen geschlechtsspezifische Verfolgung künftig in den Katalog der anerkannten Asylgründe aufgenommen werden. Das schwierigste Thema überhaupt aber ist ein anderes: Integration. Am Dienstag jedenfalls gingen die Teilnehmer ohne Einigung auseinander. Nun soll es in den Tagen nach Ostern klappen.

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