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Politik: Und sie bewegt sich doch

Der Ex-PLO-Vertreter in Deutschland, Abdullah Franji, rechnet mit der Lernfähigkeit der Hamas

Wie jeden Tag seit vergangener Woche hat Abdullah Franji wieder eine Marathonsitzung vor sich: Jeden Nachmittag treffen sich Vertreter der palästinensischen Fatah-Bewegung und der radikal-islamischen Hamas in Gaza. Sie verhandeln über den von prominenten palästinensischen Häftlingen verfassten „Plan zur nationalen Einheit“, der auch den internationalen Boykott beenden soll. „Hier wird um jedes Wort gefeilt, um jede Zeile“, berichtet Franji in seinem Büro in Gaza dem Tagesspiegel. Franji vertrat die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) lange Jahre in Deutschland. Heute ist er formal für die Reformen innerhalb der Fatah zuständig.

Bei den Verhandlungen zwischen Fatah und Hamas in Gaza herrscht immerhin Einigkeit, dass die Palästinenser ihren unabhängigen Staat in den Gebieten von 1967 errichten wollen. „So eindeutig hat Hamas das nie formuliert“, meint Franji. Eine direkte Anerkennung Israel gebe es zwar nicht, aber Hamas schließe Verhandlungen nicht mehr aus und erkenne den jüdischen Staat indirekt an, indem es wiederum verklausuliert die arabische Initiative anerkenne. Diese Initiative sieht die Normalisierung der Beziehungen vor, sobald sich Israel aus allen besetzten Gebieten zurückzieht. „Dies wäre ein großer Erfolg, und die Welt muss anerkennen, dass Hamas sich bewegt“ findet Franji.

Dennoch ist der Politiker skeptisch. „Es wird sehr schwer sein, das Dokument international zu verkaufen“, sagt Franji, der mehr Erfahrungen auf dem internationalen Parkett hat als im Umgang mit der islamistischen Hamas. „Es reicht nicht aus“, sagt er im Hinblick auf die bisherigen Forderungen der internationalen Gemeinschaft. In den intensiven Gesprächen mit Hamas-Führern habe er den Eindruck, dass die Bewegung zwar intern weitaus besser organisiert sei als die Fatah. „Aber sie haben wie in einer Sekte gelebt, und ihnen fehlt der Kontakt zur Außenwelt“, erklärt er einen Teil der Schwierigkeiten.

Franji nennt zwei Gründe, warum die westliche Welt angesichts der Flexibilität, die Hamas zeigt, auch Beweglichkeit an den Tag legen sollte. „Hamas wird sich nicht von einem Tag auf den anderen völlig verwandeln.“ Zum anderen sei es auch für die Fatah ein langer Prozess gewesen, Israel anzuerkennen. „Als ich in Deutschland anfing, habe ich das Wort ’Israel’ nicht in den Mund genommen, weil es eine Anerkennung des Staates bedeutet hätte“, erinnert sich Franji. In den späten 70er und 80er Jahren habe man in der Fatah die Möglichkeit besprochen, den so genannten UN-Beschluss 242 anzuerkennen. Dieser Beschluss sah das Ende des Konfliktes nach dem Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten vor. Es habe mehr als zehn Jahre gedauert, bis dies wirklich geschehen sei. Franji warnt vor einer Fortsetzung des internationalen Boykotts, der dazu geführt hat, dass die 160 000 Staatsangestellten seit vier Monaten kein Gehalt erhalten. „In Palästina und Israel könnten Zustände wie im Irak oder Afghanistan herrschen“, fürchtet er.

Andrea Nüsse[Ramallah, Gaza]

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