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Politik: Und wieder Vietnam

Der US-Oberbefehlshaber im Irak bringt Bush mit seinem Vergleich in Schwierigkeiten

Wenn man Vietnam als Synonym für einen bestimmten Kriegszustand nicht sagen will, sagt man „quagmire“. Das heißt Morast, Sumpf, Schlamassel und beschreibt eine militärische Situation, in die man sich besser nicht hineinbegeben hätte. Will man „quagmire“ vermeiden, sagt man Guerilla.

Seit dem Beginn des Irak-Kriegs im März versucht die US-Regierung alles, um Worte wie Vietnam, „quagmire“ oder Guerilla zu vermeiden. Denn Erinnerungen an Amerikas größtes Scheitern sind das Letzte, was Washington brauchen kann. Jetzt aber hat der neue US-Oberbefehlshaber John Abizaid den amerikafeindlichen Kämpfern im Irak bescheinigt, sie führten einen Krieg wie in Vietnam. Die Koalitionstruppen stünden einem Netzwerk kleinerer Zellen gegenüber, die angriffen, „wann und wo es ihnen beliebt“, beschreibt Abizaid. Er spricht von Zellen „von sechs bis acht Leuten“, welche die US-Truppen mit Panzerabwehrraketen und Maschinengewehren angriffen. Und zwar nach dem Muster „hit and run“, also zuschlagen und abhauen. Dies sei eine klassische Guerilla-Taktik. Dahinter steckten, so Abizaid, vermutlich Mitglieder der Baath-Partei von Ex-Diktator Saddam Hussein. Abizaid sagt jetzt auch, die USA seien „von der kompletten Zerstörung der irakischen Armee und der fast vollständigen Auflösung der irakischen Sicherheitsinstitutionen, vor allem der Polizei“ überrascht gewesen. Bislang kamen seit dem offiziellen Kriegsende am 1. Mai 82 US-Soldaten ums Leben, 33 von ihnen bei Anschlägen und Überfällen.

Guerilla, „quagmire“, Vietnam: Es ist das Trauma schlechthin. Zumindest Amerikas Trauma des vergangenen Jahrhunderts, bis im neuen dann der 11. September kam. Fast 20 Jahre lang versuchte die Supermacht, sich der Domino-Theorie entgegenzustemmen, jener These also, dass in der Dritten Welt ein Land nach dem anderen an den Kommunismus fallen würde. Erst halfen die USA den Franzosen bei deren kolonialem Rückzugsgefecht, dann nahm man die Dinge selbst in die Hand. Unter Präsident Kennedy wurde Anfang der 60er Jahre die Präsenz massiv ausgebaut. Bald verflog die Illusion, es handele sich nur um politische Berater. Kennedys Nachfolger Johnson und Nixon ließen sich vom Vietnam-Krieg erst zermürben und dann zum Rückzug zwingen. Schließlich waren fast 60 000 US-Soldaten tot, und keiner wusste genau, warum.

Dass die Erinnerung daran vermieden werden soll, hat indes noch einen anderen Grund. Vietnam steht auch für einen Krieg, den die politische Führung in Washington nicht mehr deckt. Vietnam steht für Soldaten, die auf sich allein gestellt kämpfen müssen, ohne Solidarität der Heimat. Diese Assoziation vor allem wollte Bushs Mannschaft bislang vermeiden. Bislang.

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