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Politik: Under cover

Warum verhüllen sich immer mehr Frauen? Eine Spurensuche.

Die Rechte von Frauen sind ein heikles Thema. Pakistans Gesellschaft ist männlich geprägt, auch wenn das Land bereits eine Premierministerin hatte. Eine Thomson-Reuters-Studie nannte Pakistan 2011 das drittgefährlichste Land für Frauen, nicht nur wegen religiös motivierter Gewalt, Arme leiden vor allem unter häuslicher Gewalt, selbst wenn sie die Familie ernähren. Gleichzeitig gibt es viele couragierte Frauen, die sich keine Vorschriften machen lassen. Wie sich die Frauen kleiden, lässt nicht unbedingt auf die Gründe oder den Grad ihrer Selbständigkeit schließen – under cover ist es widersprüchlicher als an der Oberfläche.

Früher galt Pakistan als freizügig. Mit dem Erstarken religiöser Eiferer verhüllen sich wieder mehr und mehr Frauen, manche tragen Burka, Männer verstecken ihre Frauen zu Hause. Mancher macht für den Rückwärtstrend Ex-Premierministerin Benazir Bhutto mit verantwortlich. Sie habe damit, dass sie immer Tuch trug, den Frauen einen schlechten Dienst erwiesen. Auch in Karatschi halten es viele inzwischen für opportun. „Es ist besser, nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen“, so begründet der Geschäftsführer eines Hospitals, dass er seiner Tochter Jeans und T-Shirt außer Haus verbietet. Sie will es, er fürchtet um ihr Leben. Die Tänzerin und Frauenrechtlerin Sheema Kermani dagegen hat nie Tuch getragen und wird es nicht tun, nur weil jemand behauptet, das sei Pakistans Kultur. Es gibt aber auch gut ausgebildete Akademikerinnen, die das Tuch als eine Art Schild tragen, eine Waffe gegen den Westen. Als stolze Musliminnen meinen sie sich gegen einen Eindruck wehren zu müssen, Muslime seien weniger wert, sie meinen, sie müssten dem Westen etwas entgegensetzen. Ein gefährlicher Mix, allzu leicht ist nur die Tuch tragende Frau eine gute Frau. Auch ein solches „Wir gegen euch“ hat wenig mit Freiheit zu tun.

Oft gibt es kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-auch. In Peschawar lebt zum Beispiel die Fernsehjournalistin Farzana, sie trägt ihr Haar bei einer halb öffentlich Veranstaltung offen. Auf Sendung würde sie das nie tun, sie hat bereits Todesdrohungen erhalten. Auch Aisha, 20, lebt dort. Sie nimmt selbst in kleiner Runde ihr Hijab nicht vom Gesicht, es verbirgt aber nicht die gezupften Brauen. Sie sagt: „Ohne Tuch bekommst du nicht den vollen Respekt, ich will aber respektiert werden.“ Sie ist in den Stammesgebieten von der Familie verheiratet worden, sie will aber in Peschawar studieren: „Mein Mann hat mir gegen die Familie geholfen.“ Wenn ihr Kind geboren ist, will sie samt Schwiegermutter in ein Hostel ziehen. „In den Stammesgebieten gibt es keine Uni.“ Danach will sie dort für Frauenrechte kämpfen. „Frauen haben dort keine Schulen und keinen Arzt.“ Dass die TV-Journalistin kein Tuch trägt, ist ihr egal: „Jede soll es machen, wie sie will.“ Freundin Shinwari findet das unerhört, das fordere „die Religion“. Die 40-jährige Farzana kommt aus dem Punjab, sie trägt nur hier Hijab. Ihre Tochter (8) schickt sie in Jeans und T-Shirt zur Schule. Aber sie kam jetzt heulend heim, alle hätten sie ausgelacht. „Sie flehte: Bitte gib mir lange Ärmel.“

Wo also stehen die Pakistaner, wenn es um die Rechte von Frauen geht? In einer Studie des Pew-Forschungszentrums aus dem Juli (die die Grenzregion zu Afghanistan aus Sicherheitsgründen aussparte) sagten 76 Prozent, Frauen wie Männer sollten gleiche Rechte haben. Es fanden aber nur elf Prozent, Frauen sollten ihren Mann selbst wählen, nicht die Familie. Immerhin scheint etwas in Bewegung zu sein.

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