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Ungarns Premier Viktor Orban - hier nach seiner Pressekonferenz in Brüssel am Donnerstag - bleibt bei seiner harten Linie.

© dpa

Ungarns Premier in Flüchtlingskrise: Viktor Orban droht mit Grenzzaun auch zu Kroatien

Erst kritisiert Ungarns Premier Deutschland in der Flüchtlingskrise scharf, dann droht Viktor Orban mit dem Bau eines weiteren Grenzzauns.

Die Flüchtlingskrise spaltet die Europäer zunehmend. Deutlicher als je zuvor hat Ungarn seinen Widerstand gegen die Aufnahme von Flüchtlingen kundgetan und seine harten Maßnahmen gegen Asylbewerber gerechtfertigt. "Die Flüchtlingskrise ist kein europäisches, sondern ein deutsches Problem", sagte Ministerpräsident Viktor Orban am Donnerstag in Brüssel. Der rechtskonservative Premier warf der Bundesregierung indirekt vor, mit ihrer Entscheidung aus der Vorwoche, Asylanträge von Syrern zu bearbeiten, obwohl sie zuvor in einem anderen EU-Land waren, erst einen Fluchtanreiz geschaffen zu haben: "Kein Flüchtling will in Ungarn oder Polen bleiben, alle wollen nach Deutschland."

Premier Viktor Orban sagt, er wolle keine große Zahl Muslime

Es sei "verantwortungslos", bei Menschen in Krisenregionen solche Erwartungen zu wecken, kritisierte er in einem parallel erschienenen Beitrag für die "FAZ". Dort schrieb er auch, die Grenzsicherung müsse Vorrang vor der Aufnahme von Flüchtlingen haben: "Wer überrannt wird, kann niemanden aufnehmen." Zudem bedrohten die meist muslimischen Flüchtlinge Europas "christliche Kultur". Am Abend kündigte er an, nach dem Bau des Grenzzauns zu Serbien einen weiteren Zaun an der Grenze zum EU-Mitglied Kroatien zu errichten, wenn die Flüchtlinge versuchen sollten, über diesen Weg ins Land zu kommen. Er wolle keine große Zahl Muslime in Ungarn haben.

Deutschland solle Syrern Visa ausstellen, fordert der Rechtskonservative

Weiter forderte er Deutschland auf, syrischen Flüchtlingen Visa auszustellen. "Wenn Deutschland sie wirklich eingeladen hat, sollte Deutschland ein Visum ausstellen, und wenn sie in Besitz eines Visums sind, werden wir sie gehen lassen", sagte Orban am Donnerstag in Brüssel. Ungarn halte sich bislang an die Regel, dass kein Flüchtling ausreisen dürfe, ohne dass er vorher registriert worden sei. Viele Syrer verweigerten aber die Registrierung in Ungarn, weil sie nach Deutschland weiterreisen wollten. Er sprach von "Kommunikationsfehlern" Deutschlands und sagte: "Das ist so, als würde es in Deutschland regnen und wir müssten einen Regenschirm aufmachen." Die Bundesregierung müsse klar sagen, was sie wolle: "Wenn jemand jemanden in sein Land einlädt, sollte er ihn aufnehmen. Wenn er das nicht wirklich meint, sollte er das klarstellen." Orban kündigte zudem an, dass vom 15. September an die Armee bei der Grenzsicherung helfen werde. Dies sei notwendig, um die Grenzen zu kontrollieren.

In Brüssel und Berlin fielen die Reaktionen hart aus. EU-Ratschef Donald Tusk sagte vor seinem Treffen mit Orban, "ein Verweis auf das Christentum in der Flüchtlingsdebatte muss an erster Stelle Bereitschaft zur Solidarität bedeuten". Es gebe eine "Kluft" zwischen "dem Osten und dem Westen der EU", sagte Tusk.

Angela Merkel weist Ungarns Kritik scharf zurück

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies Orbans Kritik scharf zurück. "Deutschland tut das, was moralisch und was rechtlich geboten ist. Und nicht mehr und nicht weniger", sagte Merkel bei einem Besuch in der Schweiz. Zugleich ermahnte sie Ungarn, die Genfer Konvention einzuhalten, in der Schutz von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen geregelt ist. "Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt nicht nur in Deutschland, sondern in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union."
Die SPD rügte den Budapester Premier ebenfalls scharf: "Wenn Herr Orban sagt, Flüchtlinge seien ein deutsches Problem, weil die Flüchtlinge in Deutschland anständig behandelt werden, dann ist das eine zynische Betrachtungsweise", sagte Fraktionschef Thomas Oppermann. "Ich verteidige die Bundesregierung nicht gerne", sagte die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller dem Tagesspiegel, "aber Orbans Äußerungen sind einfach nur absurd – die Menschen haben schließlich einen Grund zur Flucht".

Elmar Brok fordert, dem Land mehr Flüchtlinge abzunehmen

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), forderte jedoch, Ungarn, das pro Kopf mehr Flüchtlinge als Deutschland aufgenommen habe, bei der Bearbeitung der Asylanträge nicht alleinzulassen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versuchte bei seinem Treffen mit Orban, dessen Widerstand gegen einen europaweiten Verteilungsschlüssel zu brechen – noch vor einem Treffen mehrerer osteuropäischer Regierungschefs an diesem Freitag. Nach Angaben aus Kommissionskreisen bot Juncker an, dass neben Italien und Griechenland im Zuge einer Umsiedlung auch Ungarn Flüchtlinge abgenommen werden könnten.

Offenbar sollen 120.000 Flüchtlinge in Europa neu verteilt werden

Dies ist Teil eines Pakets, dass Juncker am Mittwoch im Europaparlament präsentieren will. Diplomaten bestätigten, dass die Pläne die verbindliche Neuverteilung weiterer 120.000 Flüchtlinge in Europa vorsehen. EU-Ratschef Tusk nannte die Zahl von "mindestens 100.000". Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande einigten sich auf eine Initiative für verbindliche Quoten. In Brüssel mehrten sich am Donnerstag zudem die Anzeichen, dass es noch im September einen EU-Sondergipfel geben wird. (mit rtr/dpa)

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