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Politik: Ungesetzliche Indiskretion

In den USA ist eine CIA-Agentin enttarnt worden. Jetzt ermittelt das Justizministerium – auch gegen das Weiße Haus

Eine Intrige, in die zu viele Menschen verstrickt sind, fliegt auf. Es ist nur eine Frage der Zeit. Das wissen die Getreuen des US-Präsidenten. Deshalb sind sie nervös in diesen Tagen. Der Vorwurf, der auf ihnen lastet, ist massiv: Durch gezielt verbreitete Indiskretionen soll die Identität einer CIA-Agentin verraten worden sein, die die Ehefrau eines prominenten Diplomaten und Irak-Kritikers ist. Das wäre nicht nur unmoralisch, sondern streng verboten. Ein Gesetz aus dem Jahre 1982, der „Intelligence Identities Protection Act“, ahndet derartige Vergehen mit hohen Freiheitsstrafen. Kein Geringerer als George Bush senior, der Vater des amtierenden Präsidenten, hat sich vor vier Jahren klar über die Verwerflichkeit eines solchen Verbrechens geäußert. Wer die Namen von Geheimdienstquellen bekannt gebe, sagte Bush senior, sei „der hinterhältigste aller Verräter“.

Die Affäre begann vor gut anderthalb Jahren. Damals war Joseph Wilson, ein pensionierter Diplomat, im Auftrag des US-Auslandsgeheimdienstes CIA nach Niger gereist. Er sollte Informationen überprüfen, denen zufolge Saddam Hussein versucht hätte, in dem afrikanischen Land angereichertes Uran für sein Atomwaffenprogramm zu kaufen. Wilson recherchierte und dementierte: Die Informationen seien Unsinn, einige Dokumente sogar gefälscht. Dennoch tauchte dieselbe Behauptung im Januar 2003 in Bushs Rede zur Lage der Nation wieder auf. Kurz nach Ende des Irak-Krieges, als sich abzeichnete, dass keine Massenvernichtungswaffen gefunden würden, machte Wilson seine Reise öffentlich. Das verursachte einen Skandal. Wider besseres Wissen schien die US-Regierung Informationen über irakische ABC-Waffen verbreitet zu haben. Auf dem Höhepunkt der Kontroverse befehdeten sich das Weiße Haus und die CIA untereinander. Beide Seiten schoben einander die Schuld zu. Am Ende übernahm CIA-Direktor George Tenet die alleinige Verantwortung.

Auf Wilson war das Weiße Haus also nicht gut zu sprechen. Am 14. Juli erschien dann in der „Washington Post“ ein Editorial des konservativen Kolumnisten Robert Novak. Unter Berufung auf „zwei Regierungsmitarbeiter“ schrieb Novak über die Frau von Wilson, die CIA-Agentin Valerie Plame. In der CIA-Zentrale war man entsetzt: Durch die Veröffentlichung des Klarnamens der Spionin seien womöglich einige ihrer früheren Quellen gefährdet. Gegnerische Nachrichtendienste würden frohlocken. Auch Wilson war empört, sprach von einem Racheakt. Im vergangenen Monat wurde er deutlicher. Er wolle, dass Karl Rove aus dem Weißen Haus in Handschellen herausgeschleppt werde. „Glauben Sie mir, wenn ich diesen Namen nenne. Ich wäge meine Worte sorgfältig ab.“ Rove ist Bushs Wahlkampfstratege. Er gilt als der wichtigste Mann des Präsidenten. Das Weiße Haus weist solche Anschuldigungen zurück. Die Vorwürfe gegen Rove seien „lächerlich“ und „einfach nicht wahr". Trotzdem hat das Justizministerium eine Untersuchung eingeleitet, Justizminister John Ashcroft hat das am Dienstag offiziell bestätigt. Die Bundespolizei FBI leitet die Ermittlungen. Die oppositionellen Demokraten freilich sehen darin eine Farce. Eine regierungsinterne Überprüfung der Vorgänge sei nicht objektiv, kritisieren sie.

Bush selbst soll am Montag, im Beisein von Rove, vor Mitarbeitern gedroht haben: „Ich will dieser Sache auf den Grund kommen.“ Der Sprecher des Präsidenten, Scott McClellan, hat bereits Konsequenzen angekündigt: „Sollte irgendjemand aus dieser Regierung darin verwickelt sein, wäre er nicht mehr länger in dieser Regierung.“ Die Nervosität ist verständlich. Denn offenbar sind noch andere Journalisten aus dem Weißen Haus angerufen worden. Das berichtet die „Washington Post“. Selbst ein Regierungsmitglied soll bestätigt haben, dass Wilson durch diese Operation gezielt habe diskreditiert werden sollen.

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