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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger genießt in der FDP einen ähnlichen Status wie einst Hans-Dietrich Genscher: Ihr Wort ist Programm.

© REUTERS

Unglaubwürdiger Einsatz: Die FDP und die Sache mit dem Trojaner

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger wettert gegen den Staatstrojaner. Das wirkt etwas unglaubwürdig. Schließlich regiert ihre Partei ausgerechnet in dem Bundesland mit, in dem die Schadsoftware aufgetaucht ist.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gilt in der FDP seit jeher als Ikone des Bürgerrechtsschutzes. Und weil die Verteidigung der Bürger gegen den drohenden Zugriff des Staates gerade in Zeiten fortschreitender Technologisierung in ihrer Partei als Markenkern hoch gehalten werden soll, genießt Frau Leutheusser-Schnarrenberger in der FDP einen Status, den man in etwa mit dem Hans-Dietrich Genschers vergleichen könnte: Ihr Wort ist Programm, und wer doch mal etwas an ihrer Politik zu bemängeln haben sollte, der tut es tunlichst hinter vorgehaltener Hand.

Am vergangenen Wochenende nun ist in Bayern eine Software aufgetaucht, die ganz offensichtlich in der Lage ist, sich in einem Computer so festzusetzen, dass sämtliche dort enthaltenen Inhalte kopiert, versendet oder auch verändert werden können. Wäre das so, dann läge hier ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz und die darin verankerten Schutzregeln des persönlichen Lebensbereiches vor. Ein klassischer Fall also für die Bürgerrechtsikone und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Und ganz nebenbei eine wunderbare Gelegenheit für die seit Monaten unter einem schlechten Image leidende FDP, ihren Markenkern einmal tüchtig aufzupolieren. Seit die Spähsoftware, der so genannte Trojaner, durch den Computer- Chaos-Club aufgedeckt wurde, schmäht ihn denn Leutheusser-Schnarrenberger auch nach Kräften in Fernseh-Interviews. Ihre Botschaft ist ganz einfach: Wenn die Rechte der Bürger bedroht sind, dann kümmert sich die FDP.

Dumm nur, dass ausgerechnet dort, wo der Trojaner zunächst aufgetaucht ist, in Bayern also, Liberale mit der CSU seit Jahren regieren. Und zwar Liberale, an deren Landesspitze keine andere als Frau Leutheusser-Schnarrenberger steht. Hat sich deren bayerische FDP seit 2008 etwa nicht ein einziges Mal mit der Frage beschäftigt, in welchem Ausmaß die Landesermittlungsbehörden solche Trojaner einsetzen? Zumal das Thema in München spätestens hätte auf die Tagesordnung der Bürgerrechtspartei FDP gesetzt werden müssen, als die schwarz-gelbe Regierung in Sachsen 2009 die Telefonüberwachung über Computer (also den Einsatz von Trojanern) zur Strafverfolgung ganz offen in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat. Doch damit nicht genug: Nun wird, zu allem Übel, auch in Berlin die Frage ganz offen angesprochen, was die Bundesjustizministerin seit 2009 eigentlich unternommen hat, um den Grundrechtsschutz beim Einsatz von Trojanern durch staatliche Behörden in ganz Deutschland, der der Gewährleistung der Sicherheit der Bürger dient, zu erhalten.

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Dabei weisen nicht nur Politiker der Union, sondern auch Juristen und Parteifreunde der Justizministerin darauf hin, dass man bereits im Herbst 2009 bei den Koalitionsverhandlungen mit der FDP über eine Regelungslücke in der Strafprozessordnung gesprochen habe, die den Einsatz von Trojanern zur Telefonüberwachung über den Computer, der so genannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung, aus der rechtlichen Grauzone herausholt. Denn erlaubt ist die Nutzung von Trojanern höchstrichterlich. Allerdings fehlt es offenbar bis heute an klaren Regeln dafür. 2009 hatte Leutheusser-Schnarrenberger Forderungen nach einem Gesetz mit „Nein“ beantwortet. Genauso wie in diesem Frühjahr, als der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) von seiner Kabinettskollegin erneut eine solche Regelung erbeten hatte, damit die Sicherheitsbehörden ihre Arbeit bei der Terrorabwehr auf rechtlich einwandfreier Basis tun können.

Nein und immer wieder Nein? Für die Ministerin, aber auch für die FDP insgesamt, stellt sich womöglich eine Frage der Glaubwürdigkeit. Schließlich genügt es auf Dauer für eine Partei nicht, sich selbst nur zur Schutzmacht der Bürgerrechte und Freiheit zu erklären. Spätestens, wenn man regiert, muss man die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung mit den eigenen Anforderungen an Freiheitsrechte übereinbringen. So zumindest sehen sieht man es mittlerweile in den Niederungen der Partei, die sich angesichts der Umfragewerte besorgt die Frage nach den Zukunftsaussichten stellt. Und selbst in der Bundestagsfraktion befinden Innenpolitiker der FDP neuerdings, die „stete Verneinung“ und der Abwehrkampf gegen zu große staatliche Zugriffe und Übergriffe sei zwar „nach wie vor richtig, reicht aber angesichts der Zukunftsprobleme nicht mehr aus“. Denn die Sache mit dem Staatstrojaner steht ja nicht allein. Auch bei der Überarbeitung der Antiterrorgesetze hatte sich Leutheusser-Schnarrenberger so lange gegen eine Lösung mit der Union gesperrt, dass mancher bereits den Eindruck hatte, die FDP-Frau wolle gar keine Einigung mehr. Und auch das Thema Vorratsdatenspeicherung, ein Kernthema schwarz-gelber Auseinandersetzung, ist noch längst nicht geklärt.

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