zum Hauptinhalt

Politik: Union-Richtungsstreit: Arm und reich, Nord und Süd: Die Widersprüche in der Union gehen tief (Kommentar)

Eifrig beteuern nun CDU und CSU, dass sie in der Sache nichts trenne. Keine Blockade-Strategie tönt es aus München.

Eifrig beteuern nun CDU und CSU, dass sie in der Sache nichts trenne. Keine Blockade-Strategie tönt es aus München. Wir sind weiter zu Verhandlungen in der Rentenfrage bereit, echot Angela Merkel. Geschenkt, kann man da nur anmerken. Denn viel gut zu machen, ist da nicht. Einerseits waren die Meinungsverschiedenheiten, die das Desaster der Opposition am vergangenen Freitag im Bundesrat freigesetzt hat, gar nicht zu übersehen. Andererseits wäre es ein Wunder, wenn eine solche Erschütterung nicht dazu führen würde, dass unterschiedliche Positionen aufklaffen - in der Partei und erst recht zwischen den Schwesterparteien.

Es sind ja auch nicht die Ansichten zur Rentenpolitik, die sich da entladen. Es ist die grundsätzliche Frage, wie eine Opposition ihre Politik anlegen soll. Soll die Regierung mit harten Alternativen konfrontiert werden - auch dann, wenn die Spielräume für die Durchsetzung einer solchen Politik gar nicht gegeben sind? Oder soll man sich besser darauf einlassen, sich an den Beratungen der Regierung zu beteiligen, um eigene Vorstellungen einzubringen und der Gefahr vorzubeugen - was strategisch von nicht geringerer Bedeutung ist -, als der Geist dazustehen, der bloß verneint? Kurz: Opposition durch prinzipielle Konfrontation oder, fallweise, in der Kooperation?

Es sind die beiden Möglichkeiten einer Opposition. Es gibt dafür auch kein Patentrezept. Aber es gibt Erfahrungen, die man beherzigen kann. Die Union kann sich zum Beispiel daran erinnern, dass sie nach dem Machtwechsel 1969 in ihrer regierungs-gewohnten Selbstüberhebung so lange auf Konfrontationskurs ging, bis sie die Bundestagswahl 1972 unsanft auf den Boden der Tatsachen setzte; von dort brauchte sie dann noch zehn lange Jahre, bis sie wieder an die Macht kam. Auch die SPD böte Anschauungsmaterial dafür, wie wenig man mit einem strikten Konfrontationskurs ausrichten kann - in den achtziger Jahren etwa, aber auch schon in der Frühzeit der Bundesrepublik. Eigentlich gibt es, sieht man genau hin, in der Geschichte der Bundesrepublik überhaupt kein Beispiel dafür, dass eine Partei damit vorangekommen ist. Das muss man aber vermutlich immer wieder neu lernen. Vielleicht täte die Union gut daran, den Steuerreform-Sturz als ein Lehrstück zu nehmen.

Dabei besteht das eigentliche Dilemma ihrer Lage darin, dass der aufgebrochene Konflikt eine hochsensitive, hochentzündliche Zone des Bundesstaates Bundesrepublik berührt. Vor allem die erbosten Kommentare, mit denen die Umfaller-Länder auf die Vorwürfe gegen sie reagiert haben, haben den Blick darauf gelenkt. Es ist das Gefälle zwischen den reichen Ländern im Süden und den armen im Norden. Bremen, aus dem die bittersten Töne kamen, lebt ohnedies sozusagen im Zustand des bundesstaatlichen Armenrechts, aber Berlins Lage ist nicht viel besser, und was Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern angeht, so ist ihre Situation eher noch schlechter. Es war kein Zufall und keineswegs nur das Resultat der raffinierten Taktik des Kanzlers, dass die CDU-Front genau an dieser Linie auseinander brach. Es war die Folge der Verwerfungen, die die Bundesrepublik durchziehen.

Diese Linie zwischen Süden und Norden ist so etwas wie der Erdbeben-Graben des deutschen Föderalismus. Das war schon früher so, aber die Entwicklungen der letzten Jahre haben dies noch verstärkt. Die armen Länder empfinden die Finanzpolitik der reichen Länder zunehmend als Bedrohung. Sie befürchten, dass deren Absicht, den Föderalismus im Allgemeinen und den Länderfinanzausgleich im Besonderen zu revidieren, am Ende auf ihre Kosten gehen könnte. Das gilt nicht zuletzt für die Stadtstaaten, die im Kern getroffen wären, wenn ihnen ihre Finanzausgleich-Privilegien abhanden kämen.

An diesem Gefühl der Unsicherheit ändert auch die Garantie ihrer Fortexistenz nicht. Denn das Verhalten der reichen Länder hat den armen Ländern bisher wenig Anlass zu der Überzeugung gegeben, dass sie auf sie Rücksicht nehmen würden. Denn die Bruchlinie im Steuer-Streit verlief bemerkenswert genau entlang der Front, die die Lager im Streit um die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zum Finanzausgleich teilt - hier, im Süden der Republik, die reichen Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, abzüglich des SPD-regierten Nordrhein-Westfalen, dort der nördlich-östliche Rest der Republik, mit Ausnahme der die Unionslinie stützenden Sachsen, Thüringen und des Saarlandes.

Zur Startseite