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Union und SPD: Durchbruch bei Koalitionsverhandlungen

Mit der Verständigung auf eine höhere Mehrwertsteuer ist Union und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen am Donnerstagabend ein Durchbruch gelungen.

Berlin - So soll diese Verbrauchssteuer am 1. Januar 2007 von 16 auf 19 Prozent erhöht werden, erfuhr die dpa in Berlin. Dagegen hatte sich die SPD lange gesträubt. Noch unklar blieb zunächst, ob die Union dafür die «Reichensteuer» akzeptieren wird. Weitere Streitpunkte waren die Themen Atomausstieg, Kündigungsschutz und betriebliche Bündnisse. Aus der Union hieß es, mit dem Abschluss der Gespräche sei frühestens am Freitag zu rechnen.

Die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer sollen teils zur Senkung des Beitrags der Arbeitslosenversicherung und zur Haushaltssanierung in Bund und Ländern verwendet werden. Eine Meldung der «Bild»- Zeitung, wonach zusätzlich der Beitragssatz zur Rentenversicherung von 19,5 Prozent auf 20,3 Prozent im Januar 2007 steigen soll, wurde von der CDU dementiert. Die Zeitung «Die Welt» (Freitag) schrieb, die Koalition werde 2006 mindestens 40 Milliarden Euro neue Schulden machen und damit gegen das Gebot der Verfassung verstoßen, wonach die Neuverschuldung unter den Investitionen liegen muss.

Union und SPD verständigten sich bereits auf zahlreiche Punkte. Das geht aus dem Entwurf des Koalitionsvertrages hervor, der der dpa am Donnerstagabend vorlag. Der Vertrag soll am 18. November in Berlin unterzeichnet werden.

Gesetzliche Krankenversicherung soll reformiert werden

Trotz elementarer Meinungsunterschiede wollen Union und SPD eine grundlegende Reform der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2006 vereinbaren. Bei der Pflegeversicherung wollen die Parteien sowohl die Finanzierung als auch die Leistungen reformieren. Zunächst sollen Ausgaben eingedämmt werden. Die Entscheidung über die Gesundheitsprämie der Union oder die Bürgerversicherung der SPD wird vertagt. Die Einführung eines Elterngeldes bis höchstens 1800 Euro für ein Jahr an Mütter oder Väter wird von 2008 an fest vereinbart. Das Studenten-Bafög soll in der bisherigen Form erhalten bleiben.

Union und SPD wollen die Kosten der Arbeitsmarktreform Hartz IV deutlich senken. Unter anderem sollen unverheiratete, volljährige Kinder unter 25 Jahren grundsätzlich in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbezogen werden. Die Definition eheähnlicher Partnerschaften soll geprüft werden. EU-Ausländer, die vorher nicht in Deutschland gearbeitet haben, sollen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II mehr haben. Die Anhebung des Arbeitslosengeldes II in Ostdeutschland auf Westniveau ist im Entwurf weiter strittig. Der Ausbildungspakt für junge Menschen soll fortgesetzt werden.

Union und SPD wollen Bürger und Unternehmen spürbar von bürokratischen Vorschriften entlasten. Der Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis soll generell verboten werden.

Nordrhein-Westfalens Regierungschef und CDU-Vize Jürgen Rüttgers sagte der dpa: «Wir werden uns am Schluss einigen.» Unions- Fraktionsvize Ronald Pofalla schloss eine Einigung erst am Samstag nicht aus. «Was die "Reichensteuer" für die SPD ist, ist für uns die Frage der betrieblichen Bündnisse.» Am Ende könne es sein, dass beides nicht komme.

Streitpunkt Kündigungsschutz

Die Union dringt unverändert auf die Umsetzung der geplanten Lockerung des Kündigungsschutzes. Die SPD müsse sich bewegen, damit die Arbeitslosen eine Chance auf Arbeit bekämen, sagte Rüttgers. Wulff betonte, die in der Koalitions-Arbeitsgruppe vereinbarte Ausdehnung der Probezeit von sechs auf 24 Monate müsse «jetzt auch umgesetzt werden». Ver.di-Chef Frank Bsirske warnte vor einer «sozialen Entsicherung». Der scheidende SPD-Chef Franz Müntefering hatte zuvor den von Unions- und SPD-Politikern bekannt gegebenen Kompromiss wieder in Frage gestellt.

In der Atompolitik beharrt die SPD auf dem unter Rot-Grün vereinbarten Atomausstieg bis 2021. Das will die Union so nicht akzeptieren. Ursprünglich wollten CDU und CSU die Laufzeit der Atomkraftwerke um acht Jahre verlängern. Die Autofahrer sollen nach dem Willen von Union und SPD nicht mit einer Pkw-Maut belastet werden. Ferner soll mit einer Gesetzesnovelle die Forschung und Anwendung von Gentechnik in der Landwirtschaft forcieren. Der Schutz von Mensch und Umwelt bleibe oberstes Ziel.

Scharfe Kritik an Vorhaben der geplanten großen Koalition kam aus der Wirtschaft. Die Sparpläne lösten Befürchtungen über den Wegfall zehntausender Arbeitsplätze aus. Wissenschaftsrat und Hochschulrektorenkonferenz machten gegen die Föderalismusreform Front und fürchten, dass die Alleinzuständigkeit der Länder für Hochschulen der Wissenschaft auf Dauer Schaden zufügt. (tso/dpa)

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