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Merkel

© AFP

Union: Unschärfen einer Kanzlerin

Angela Merkel unterlaufen beim Umgang mit dem Thema Energiepreise lauter kleine Fehler. Der Regierungssprecher nennt das "gewisse Unschärfen". Auch im Verhältnis mit der CSU deutet sich neuer Streit an.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Die Sache ist peinlich, wäre an sich aber nicht weiter bedeutsam. „Auch für Kanzlerinnen gilt gelegentlich das Menschenrecht auf Irrtum“, sagt ein Regierungsmann. Der Vizeregierungssprecher Thomas Steg hat den Irrtum ja auch sofort offen zugegeben – jawohl, Angela Merkel hat in einem Interview fälschlich den Eindruck erweckt, dass Hartz-IV- Empfänger nicht nur die Heizung, sondern auch die Stromkosten von Staats wegen bezahlt bekämen. Und nein, Merkel habe die „gewisse Unschärfe“ in ihre Aussage „nicht bewusst“ einschleichen lassen. Soweit also alles wieder in Ordnung. Bliebe da nicht der leise Verdacht, dass die Fehlleistung eine von jenen war, an denen der Doktor Sigmund Freud seine Freude gehabt hätte.

Merkels „gewisse Unschärfe“ schlich sich nämlich ausgerechnet in die Antwort auf die Frage ein, ob nicht die Politik die steigenden Energiepreise zumindest für Geringverdiener mit Sozialtarifen abfedern sollten. Auf dem Ohr ist die Kanzlerin derzeit aber besonders taub. Sie hat der CSU schließlich schon das Wahlgeschenk Pendlerpauschale verweigert. Ihre Antwort – solche Sozialregelungen gebe es längst, so werde Hartz-IV- Empfängern das Heizen und der Strom voll erstattet – passte einfach zu gut in die Abwehrlinie gegen alle Rufe nach Entlastung, als dass Merkel selbst und ihre Mitarbeiter sie noch einmal auf sachliche Richtigkeit überprüft hätten.

Die Freud’sche Fehlleistung ist auch deshalb aufschlussreich, weil sie nicht die einzige Panne auf diesem Feld ist. Auch im Streit um Pendlerpauschale und Atomkraft kreiden manche Parteifreunde Merkel Instinktversagen an.

Was die Pendlerpauschale angeht, herrscht in der CDU einerseits Kopfschütteln darüber, dass sich die CSU-Führung derart in ein Randthema verbissen hat. Andererseits – Merkel habe so brüsk abgelehnt, dass den Bayern kaum etwas übrig bleibe, als ihrerseits auf stur zu schalten. Das Treffen der Parteipräsidien in Erding, bei dem beide Seiten aufeinanderprallten, wird mittlerweile auch in der CDU als taktisches Debakel empfunden. Zumal Merkels inhaltliche Abwehrargumente, sie müsse erst mal bis 2011 den Bundeshaushalt sanieren, und außerdem brächten ein paar Euro pro Pendler mehr angesichts der täglich steigenden Benzinpreise sowieso nichts, auch nicht jeden überzeugen. „Aber die außerplanmäßige Rentenerhöhung um ein paar Euro, die hat’s gebracht!“ höhnt ein Merkel-Kritiker.

Nun wisse Merkel, sagen Unionspolitiker, dass das Volk nach Entlastung rufe. Was sie davon abhalte, dem Ruf zu folgen, seien weniger inhaltliche Gründe als Angst vor dem Wettlauf der Populisten. Zum Pendler- der Heizkostenzuschuss, dann der Stromsozialtarif … in Kanzleramt und CDU-Zentrale sind sie sicher: Der Fantasie etwa des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers wären kaum Grenzen zu setzen.

Umso glücklicher wähnte sich die Parteispitze, als ein sowieso gerade fertiges Umweltpapier die Gelegenheit bot, den Atomstrom als Preissenker anzupreisen. Doch auch dieses Umgehungsmanöver zeitigt unangenehme Nebenfolgen. Der Atomstreit hat nicht nur die SPD geeint. Er hat auch die Grünen auf die Palme gejagt – und zwar eine von ganz anderer Art als jene, die auf Jamaika wachsen.

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