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Jeder zweite Türke fühlt sich in Deutschland als Bürger zweiter Klasse.

© Paul Zinken/dpa

Universität Münster zur Integration: Türkischstämmigen fehlt in Deutschland die Anerkennung

Die große Mehrheit der Türkischstämmigen fühlt sich in Deutschland zwar wohl, doch jeder zweite findet islamische Gebote wichtiger als deutsche Gesetze, besagt eine Studie der Universität Münster.

Unter türkischstämmigen Menschen in Deutschland sind islamisch-fundamentalistische Einstellungen verbreitet. Das geht aus einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Emnid-Umfrage im Auftrag des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster hervor. Dabei bekundeten 90 Prozent der Befragten ein hohes Wohlbefinden in Deutschland und fast ebenso viele eine sehr enge bis enge Verbindung sowohl zu Deutschland wie zur Türkei. Dennoch klagen mehr als die Hälfte über fehlende soziale Ankerkennung.

Fast jeder Zweite findet die islamischen Gebote wichtiger als die deutschen Gesetze. 47 Prozent der befragten Muslime mit türkischen Wurzeln stimmten dem Satz zu „Die Befolgung der Gebote meiner Religion ist für mich wichtiger als die Gesetze des Staates, in dem ich lebe“. Was auffällt: Unter den Zuwanderern der ersten Generation ist die Zustimmung zu dieser Aussage mit 57 Prozent deutlich höher als bei ihren Nachkommen. In der zweiten und dritten Generation vertreten 36 Prozent diese Ansicht.

Die Umfrage ist Teil einer Studie der Universität Münster, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Ihre Ergebnisse zeigen auch, dass die Kinder und Enkel der türkischen Migranten im Vergleich zur ersten Generation weniger glaubensstreng leben. Sie beten seltener und gehen weniger häufig in die Moschee, Frauen tragen seltener ein Kopftuch.

Türken fühlen sich seltener benachteiligt als Ostdeutsche

Das hindert die Jüngeren aber nicht daran, sich selbst als stark religiös zu beschreiben. 62 Prozent der Angehörigen der ersten Generation bezeichneten sich selbst als sehr religiös. Unter ihren Nachfahren waren es sogar 72 Prozent. Der Leiter der Untersuchung, der Religionssoziologe Detlef Pollack, stellte dazu fest: „Möglicherweise spiegeln die Antworten auf diese Frage weniger die „tatsächlich gelebte“ Religiosität wider als vielmehr ein demonstratives Bekenntnis zur eigenen kulturellen Herkunft.“

Der Studie zufolge sind die Angehörigen der zweiten und dritten Generation zwar in vielem besser integriert als die „Gastarbeiter“ von einst. Das lässt sich am Zuwachs bei Schulabschlüssen, Deutschkenntnissen und Kontakten zu Deutschen erkennen. „Allerdings pocht die zweite und dritte Generation weit mehr auf kulturelle Selbstbehauptung als die erste“, sagte Pollack.

Dazu passt auch, dass sich die aus der Türkei stammenden Menschen zwar insgesamt seltener benachteiligt fühlen als die Ostdeutschen. Auf der anderen Seite mangelt es ihnen aber an Anerkennung. 54 Prozent von ihnen identifizieren sich mit der Aussage, „Egal, wie sehr ich mich anstrenge, ich werde nicht als Teil der deutschen Gesellschaft anerkannt“.

Betonung des Islam

Viele der hier lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln haben zudem das Gefühl, der Islam werde zu Unrecht mit Gewalt und Fanatismus in Verbindung gebracht. Die Befragten schrieben dem Islam vor allem positive Eigenschaften wie Toleranz und Friedfertigkeit zu. Über 80 Prozent erklärten zugleich, es mache sie wütend, wenn nach einem Terroranschlag als erstes Muslime verdächtigt würden.

Drei Viertel plädierten für ein Verbot von Büchern und Filmen, die Gefühle tief religiöser Menschen verletzen. Zwei Drittel meinten, der Islam passe in die westliche Welt - 73 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland meinen das Gegenteil.

Die Autoren der Studie sehen einen Zusammenhang zwischen dem in Deutschland weit verbreiteten negativen Bild des Islam und den dogmatischen Einstellungen, die ein Teil der in Deutschland lebenden Muslime vertritt. So stimmten 32 Prozent der von Emnid befragten Türkeistämmigen der Aussage zu, die Muslime „sollten die Rückkehr zu einer Gesellschaftsordnung wie zu Zeiten des Propheten Mohammeds anstreben“. 36 Prozent von ihnen waren der Ansicht, nur der Islam sei in der Lage, „die Probleme unserer Zeit zu lösen“. 23 Prozent vertraten die Auffassung, Muslime sollten es vermeiden, dem anderen Geschlecht die Hand zu schütteln. Der Aussage, „Gewalt ist gerechtfertigt, wenn es um die Verbreitung und Durchsetzung des Islam geht“ stimmten sieben Prozent zu. (dpa, KNA)

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