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Nicht zu erkennen. Klonkälber Foto: AFP

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Politik: Unmut über Brüderles Alleingang beim Klonfleisch

Der Wirtschaftsminister hat eine Kennzeichnung in der EU verhindert – aus Sorge vor Handelssanktionen der USA

Berlin - Viele Freunde in der Union hat Wirtschaftsminister Rainer Brüderle nicht mehr. Nach seinen Einlassungen zum Atom-Moratorium vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheiland-Pfalz hat er es sich nun auch noch mit christdemokratischen Europa- und Verbraucherpolitikern verdorben. Dem FDP-Mann und seinem Ressort sei es vor allem zuzuschreiben, dass die Verhandlungen über eine europaweite Kennzeichnung von Klonfleischprodukten gescheitert seien, so ihr Vorwurf.

Er wisse nicht, ob Brüderle „zu viel Appetit auf Klonfleisch“ oder „seine Beamten nicht unter Kontrolle“ habe, schimpfte der gesundheitspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Peter Liese (CDU). Das Verhalten des Ministers in der Klonfleischfrage sei nun „neben seiner unglücklichen Rolle in der Energiepolitik ein weiterer Grund für einen Rücktritt“. Und auch aus Regierungskreisen hieß es, dass dem Bundeswirtschaftsminister und seinen Verhandlern bei einem für die Verbraucher derart wichtigen Thema „etwas mehr Sensibilität“ gut angestanden hätte. „Bei den Stürmen gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel hätte doch jeder aufgewacht sein müssen.“

Drei Jahre lang hatte das EU-Parlament mit der Brüsseler Kommission und den Mitgliedstaaten einen Gesetzentwurf für „neuartige Lebensmittel“ beraten. Man wollte ein Zulassungsverfahren für Risikotechnologien, etwa sogenannte Nano-Materialien in Konservierungsmitteln oder Farbstoffen. Vor allem aber wollte man, dass den Bürgern nicht länger Klontierprodukte untergejubelt werden können. Wenn schon nicht aus dem Handel zu bekommen, sollten die Kunden wenigstens die Herkunft unnatürlich kreierter Produkte erfahren.

Nun bleibt die alte Ungewissheit. Bis zuletzt habe das Wirtschaftsministerium einen Kompromissvorschlag von Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) „blockiert“, behauptet Liese. Aigner hatte im Brüsseler Agrarrat betont, dass für sie zumindest eine Kennzeichnung von Produkten der ersten Nachfolgegeneration geklonter Tiere vorstellbar sei. Zwar seien Verbot und Kennzeichnung auch an anderen, etwa Großbritannien, Schweden und die Niederlande gescheitert, sagt Liese. Aber wegen der hohen Stimmenzahl sei am Ende die deutsche Position und Brüderles Sorge vor Handelssanktionen ausschlaggebend gewesen. Die Behauptung, die Herkunftsbestimmung wäre zu aufwendig, sei – zumindest für direkte Nachfahren geklonter Tiere – vorgeschoben.

Aus dem Brüderle-Ministerium heißt es, man bedaure das Scheitern der Verhandlungen, habe aber auch „die Regeln des multilateralen Handelssystems der Welthandelsorganisation“ mitberücksichtigen müssen. Im Verbraucherministerium konzentriert man sich auf Verbraucherberuhigung. Lebensmittel aus geklonten Tieren würden in der EU nicht verkauft, man streite nur um Produkte der Klonnachkommen. Und auch gesundheitlich sei deren Verzehr „unbedenklich“. Es gehe allein um Aspekte des Tierschutzes und der Ethik.

Tatsächlich ist das Schlachten aufwendig geklonter Tiere wirtschaftlich Unsinn. Auf den Markt kommen die Folgeprodukte. Und mit den Samen geklonter Zuchtbullen und den Nachkommen besonders milchreicher Klonkühe lassen sich offenbar prächtige Geschäfte machen. Wie viele davon bereits auf dem Markt sind, wissen auch Agrarexperten nicht zu sagen. Bei argentinischem Rindfleisch bestehe allemal die Gefahr, sagt Liese, denn dort werde das Klonverfahren „offensiv betrieben“. In den USA ist Klonfleisch seit 2008 erlaubt. Und 2010 seien in Schottland auch Milchkühe aufgetaucht, die von geklonten Vorfahren abstammen „und für den europäischen Markt kräftig weiter gemolken werden“.

Auch in der FDP-Fraktion finden das einige nicht in Ordnung. „Im Interesse von Klarheit und Wahrheit im Markt“ hätte er sich eine Kennzeichnung gewünscht, sagt der Agrarexperte Michael Goldmann. Das Scheitern der Verhandlungen dürfe nicht das Ende sein. Johannes Singhammer (CSU) sieht das genauso, und auch im Verbraucherministerium sind sie der Meinung, dass das Thema erneut „angepackt“ werden muss. Brüderle offen angehen will hier keiner. Im EU-Parlament dagegen sind nicht nur SPD- und Grünen-Politiker sauer. Der Minister habe schon die Richtlinie zur Energieeffizienz zu hintertreiben versucht, erinnert CDU-Mann Liese. Allmählich, so findet er, ist es genug.

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