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Von links nach rechts: Ataturk, Abdullah Gül und Recep Tayyip Erdogan.

© Reuters

Unruhen in Istanbul: Staatspräsident Gül verpasst Erdogan einen Seitenhieb

Ministerpräsident Erdogan weigert sich, die Massenunruhen in der Türkei als das anzuerkennen, was sie sind: Ausdruck allgemeiner Unzufriedenheit über seinen autoritären Regierungsstil. Nun sprach Staatspräsident Gül vom Recht der Türken auf Protest - und stellt sich damit gegen Erdogan.

Auch nach tagelangen Unruhen weigert sich der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, der Realität ins Auge zu schauen und die Massenproteste in Istanbul und anderswo als das zu sehen, was sie sind: ein Ausdruck dafür, dass Millionen Türken die Nase voll haben von seinem autoritären Regierungsstil, in dem viel verboten, aber wenig diskutiert wird. Ganz anders dagegen Staatspräsident Abdullah Gül: Er sprach am Montag vom Recht der Türken auf friedliche Demonstrationen und davon, dass sich Demokratie nicht auf die Stimmabgabe alle vier Jahre erschöpft – ein klarer Seitenhieb auf Erdogans Lieblingsargument, er habe einen klaren Wählerauftrag für seine Politik.

Erdogan und Gül sind alte politische Weggenossen und auch persönlich enge Freunde. Doch das Traumpaar der türkischen Konservativen hat sich voneinander entfremdet. Erdogan will kommendes Jahr selbst Präsident werden, eine Absicht, über die Gül offenbar nicht sehr glücklich ist. In den vergangenen Monaten entwickelte sich eine Art stiller Rivalität zwischen den beiden. Gül hat bisher offen gelassen, ob er bei der Präsidentenwahl im nächsten Jahr für Erdogan seinen Stuhl räumen oder noch einmal antreten will.

Damit erfüllt Gül eine Funktion, die sonst fehlt in der türkischen Republik des Recep Tayyip Erdogan: ein Gegengewicht, das den mächtigen Ministerpräsidenten zumindest hin und wieder die Grenzen aufzeigen kann. Nach Presseberichten war es auch Gül, der am vergangenen Samstag den Rückzug der Polizei vom Istanbuler Taksim-Platz durchsetzte und damit noch schlimmere Straßenschlachten verhinderte. Kritiker werfen Gül vor, Erdogan viel zu häufig gewähren zu lassen. Sollten seine Äußerungen über die demokratischen rechte der Bevölkerung vom Montag ein Hinweis darauf sein, dass er das jetzt ändern will, dann könnte der Präsident viel zur Beruhigung der Lage beitragen.

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