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Palästinenserinnen sammeln Lkw-Reifen, die in Brand gesteckt werden sollen. Der Rauch soll den israelischen Soldaten die Sicht nehmen.

© Said Khatib/AFP

Unruhen in Nahost: Israel macht die Hamas für die Toten von Gaza verantwortlich

60 Tote - der 14. Mai war der blutigste Tag seit Ende des Gaza-Krieges 2014. Israel gibt allein der Hamas die Schuld. Sie habe zur Gewalt angestachelt.

Die Ankündigung war deutlich. Hamas-Anführer seien „bereit, zusammen mit Zehntausenden anderen“ beim Höhepunkt der Proteste zu sterben, tönte der Hamas-Chef in Gaza, Jihia Sinwar, kurz vor den blutigen Unruhen am Montag. Er stachelte sein Volk im Gazastreifen dazu an, sich an den gewaltsamen Protesten zu beteiligen.

Auch Geld soll die Hamas Berichten zufolge den Demonstranten gezahlt haben – zwischen umgerechnet 170 und 250 Euro bei Verletzungen und bis zu 2500 Euro für die Hinterbliebenen im Todesfall. In einem bettelarmen Landstrich ein Anreiz für junge Männer, sich in Lebensgefahr zu begeben.

Tatsächlich wurde der 14. Mai zum blutigsten Tag seit Ende des Gaza-Krieges 2014. Während in Jerusalem die US-Botschaft feierlich eröffnet wurde und Netanjahu von einem „großartigen Tag für den Frieden sprach“, protestierten der israelischen Armee zufolge 40.000 Menschen an zwölf verschiedenen Punkten im Gazastreifen, darunter auch viele Gewaltbereite.

Israels Warnungen

Mindestens 60 Palästinenser kamen ums Leben – nicht die Hamas-Führer selbst, jedoch ebenjene jungen Männer, die deren Aufforderungen gefolgt waren und auf den Grenzzaun zu Israel zurannten, ihn zerstören, durchbrechen wollten oder explosive Geschosse und Molotowcocktails in Richtung Israel warfen.

Dabei hatte Israel zuvor gewarnt, in solchen Fällen werde das Feuer eröffnet. Schon bei den Freitagsprotesten zuvor hatte Israels Armee immer wieder auch scharfe Munition gegen gewalttätige Demonstranten eingesetzt und am Morgen des Protesttages Flugblätter abgeworfen: „Lass es nicht zu, dass die Hamas dich auf zynische Weise als Marionette missbraucht. Bleibe dem Sicherheitszaun, terroristischen Anführern und gewalttätigen Demonstranten fern.“

Ähnlich wie in den USA sieht man in Israel die Schuld für die Todesopfer allein bei der Hamas. Schließlich habe sie ihre Leute zur Gewalt aufgefordert. „Die Soldaten agieren gut und gemäß den Feuerbefehlen“, sagte zum Beispiel Justizministerin Ajelet Shaked am Dienstag. „Die Hamas opfert ihre Leute für politische Zwecke, aber die Armee kann mit der Situation umgehen. Ich hoffe, sie haben die Botschaft verstanden und die Dinge geraten nicht außer Kontrolle.“

Viele Palästinenser in Gaza sind auf Hilfe der Vereinten Nationen angewiesen.
Viele Palästinenser in Gaza sind auf Hilfe der Vereinten Nationen angewiesen.

© Said Khatib/AFP

Doch nicht nur vonseiten Netanjahus nationalreligiöser Regierung kamen unterstützende Worte für die israelischen Scharfschützen. So schrieb Yair Lapid, Chef der Oppositionspartei Yesh Attid, auf Facebook: „Der Staat Israel bedauert den Tod jedes unschuldigen Menschen. Aber kein Land der Welt wäre damit einverstanden, dass Hunderte Terroristen in sein Territorium eindringen.“

Immerhin entschied Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, dass der Übergang Kerem Shalom nach Gaza für Güter und Waren am Dienstag wieder geöffnet werden soll, obwohl dieser von gewaltbereiten Demonstranten mehrmals im Zuge der Proteste angegriffen worden war.

Sowohl die Armee als auch die israelische Koordinierungsstelle für Aktivitäten in den Palästinensergebieten, Cogat, hatten den Schritt empfohlen, wohl auch um die Lage in Gaza zu beruhigen. Gerade unter Militärs werden die Stimmen immer lauter, die vor einem Gau im Küstenstreifen warnen. Diesem Szenario müsse man vorbeugen. Zum Beispiel, indem die Blockade gelockert und der Bau von Klär- und Elektrizitätswerken gefördert wird. Doch bisher tut sich wenig.

Gazas Not

Die Hälfte der zwei Millionen Einwohner ist nach wie vor auf Hilfe durch die UN angewiesen. Gesundheitszentren, soziale Aufgaben, Schulen, Lebensmittelausgaben – alle relevanten staatlichen Dienste werden von den Vereinten Nationen organisiert. Die herrschende Hamas kümmert sich nicht um die Belange des Volkes.

Es gibt keine Jobs, die Arbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent. Vor allem Jugendliche haben kaum Aussichten, Geld zu verdienen. Viele Familien wissen daher nicht, wie sie über die Runden kommen sollen. Und raus kommt auch so gut wie niemand.

Wie Ägypten hat Israel eine Blockade verhängt. Gazas Einwohner können ihre Heimat nur in Ausnahmefällen und mit Genehmigung verlassen. Gazas Bewohner betrachten den Küstenstreifen daher als Gefängnis. Auch dringend benötigte Waren gelangen nur spärlich oder mit großem bürokratischen Aufwand in den Küstenstreifen.

So werden Wut und Frust immer größer. Auch das waren Gründe dafür, am Montag an der Grenze zu Gaza zu protestieren. Und die Hamas weiß die Unzufriedenheit der Gazaner, ihre Hoffnungslosigkeit für sich und ihre antiisraelische Propaganda zu nutzen.

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