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Unruhen: Krawalle erfassen ganz Frankreich

Zehn Tage nach Beginn der nächtlichen Krawalle in französischen Einwanderervorstädten haben die Unruhen ganz Frankreich erfasst. Präsident Chirac erklärte die "Wiederherstellung der Sicherheit und Öffentlichen Ordnung" zur Priorität.

Paris - Um die Krise zu beheben, seien die Achtung des Einzelnen, Gerechtigkeit und Chancengleichheit nötig, sagte Chirac nach einer Sondersitzung des Sicherheitskabinetts in Paris. Premierminister Dominique de Villepin kündigte eine Verstärkung der Sicherheitskräfte «überall dort, wo notwendig» an. «Eine rechtsfreie Zone können wir nicht akzeptieren», sagte er nach der Krisensitzung in Paris.

Festgenommene Randalierer sollen nach Worten Villepins in einem beschleunigten Verfahren «sofort» vor den Richter gebracht werden. «Gewalt ist keine Lösung», appellierte der Premierminister an die Verantwortung aller, zu einer Beruhigung in den Vorstädten beizutragen. Am Montagabend will er im Fernsehen soziale Maßnahmen vor allem für mehr Chancengleichheit in den Unruhegebieten vorstellen.

Noch während das Sicherheitskabinett tagte, gingen die Brandanschläge am Sonntagabend weiter. In Nantes, Rennes und Orléans gingen wieder Autos in Flammen auf. In Grigny wurden bei Zusammenstößen mit jugendlichen Gewalttätern etwa 30 Polizisten verletzt, zwei davon schwer.

In den beiden Vornächten waren nach Polizeiangaben 2400 Autos und zahlreiche Gebäude in verschiedenen französischen Städten von jungen Brandstiftern angezündet worden. Erstmals schlugen Brandstifter auch in der Pariser Innenstadt zu; 51 Autos gingen am Platz der Republik und im 17. Arrondissement in Flammen auf. Die US-Regierung riet ihren Bürgern zur Vorsicht in Paris.

De Villepin setzte seine Beratungen mit der muslimischen Gemeinde, Verbänden und Betroffenen fort, um ein beschlossenes Milliardenprogramm für die Problemstädte zu optimieren. Der Lyoner Moschee-Rektor Kamel Kabtane erklärte, die Muslime seien zu «jeder sozialen Verständigung» in den Gemeinden bereit, könnten «aber nicht die Wirtschafts- und Sozialpolitik ersetzen». Der Präsident des Muslimrates CFCM, Dalil Boubakeur, verlangte «Worte des Friedens» von Innenminister Nicolas Sarkozy, dessen Ankündigung, die sozialen Brennpunkte «von Gesindel zu säubern», als Katalysator der Gewalt gilt.

Sarkozy unter Druck

Mit der Dauer des Konflikts steigt der Druck auf Sarkozy. Sozialistenchef François Hollande gab dem Minister wegen seiner Wortwahl eine Mitschuld an der Eskalation, verzichtete aber auf eine Rücktrittsforderung. «Jetzt den Rücktritt zu fordern hieße, den Randalierern Recht geben», sagte Parteisprecher Julien Dray.

In der Bevölkerung kommt Sarkozys harte Gangart offensichtlich weiter gut an. Nach einer Umfrage der Sonntagszeitung «Journal du Dimanche» bescheinigen ihm 57 Prozent ein gutes Image. Allerdings äußern in den Sozialsiedlungen auch viele Bürger, die die Gewalt verurteilten, Verständnis für die Wut der Jugendlichen auf Sarkozy.

Anschläge gab es am Wochenende in allen Regionen vom Ärmelkanal und dem Elsass über das Zentralmassiv bis nach Nizza an der Côte d'Azur. Meist scheuten die Randalierer die Konfrontation mit der Polizei. Doch in Evreux, 40 Kilometer westlich von Paris, zerstörten Banden von Vermummten ein Einkaufszentrum und lieferten sich eine regelrechte Schlacht mit den Sicherheitskräften. Dabei gab es Zeugen zufolge zahlreiche Verletzte und Plünderungen. Anwohner berichteten, sie hätten sich in ihren Wohnungen verbarrikadiert.

Die meisten Täter stammen aus muslimischen Einwandererfamilien aus Nord- und Schwarzafrika. Engagierte Bürger aus den betroffenen Vierteln versuchten, den Jugendlichen Einhalt zu gebieten. In mehreren Orten gab es Kundgebungen gegen die Gewalt, die jedoch ohne Folgen blieben. Gemeindevertreter teilten die Randalierer in zwei Gruppen: 13- bis 15-jährige Mitläufer und wesentlich ältere, meist vorbestrafte Anführer, die die Gewalt organisieren. (tso/dpa)

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