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Unruhen: Krawalle fordern erstes Todesopfer

Angesichts der Gewaltwelle in den Vorstädten schließt die französische Regierung einen Militäreinsatz nicht mehr grundsätzlich aus. Außerdem sollen örtliche Ausgehverbote verhängt werden können.

Paris - Frankreich habe 8000 Polizisten im Einsatz und 1600 weitere Reservisten eingezogen, sagte Premierminister Dominique de Villepin am Montagabend im Fernsehen. Zu Forderungen nach einem Militäreinsatz sagte er: «So weit sind wir noch nicht.» Man werde Schritt für Schritt vorgehen und alle nötigen Maßnahmen ergreifen.

Das Kabinett werde am Dienstag den Präfekten die Möglichkeit zu Ausgehverboten einräumen, sagte Villepin. Er rief die Eltern auf, ihre Kinder von der Gewalt abzuhalten. Die Jugendbanden seien «in einer Logik des Spiels» und wollten sich gegenseitig überbieten. Villepin appellierte an alle Bürger, zum Überwinden der «Krise der Vororte» beizutragen. Die Jugendlichen dürften nicht stigmatisiert werden; die Hilfen für die Krisenviertel würden verstärkt.

Noch während Villepin sprach, gingen die nächtlichen Unruhen in eine neue Runde. In Toulouse stoppten Jugendliche einen Bus und steckten ihn an. In vielen als gefährlich geltenden Orten wurde der öffentliche Nahverkehr mit Einbruch der Dunkelheit eingestellt.

Seit Beginn der Unruhen wurden nach Villepins Worten 1200 Menschen vorübergehend festgenommen und fast 100 inhaftiert. Die Justiz verschärfte die Strafen für die Randalierer. So wurden am Montag in Paris-Nanterre zwei junge Erwachsene zu acht Monaten und einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt, weil sie Jugendliche mit Benzin für Brandbomben versorgt hatten. In Toulouse erhielt ein 18- jähriger Steinewerfer acht Monate. Zuvor mussten die Täter maximal mit wenigen Wochen Haft rechnen.

Montagfrüh hatten die Unruhen sich auf soziale Brennpunkte in 270 Städten und Gemeinden ausgeweitet. Die Polizei nahm fast 400 Menschen fest; 1408 Autos gingen in Flammen auf. Aufsehen erregte der Tod eines Franzosen, der beim nächtlichen Bewachen von Autos niedergeschlagen worden war und am Montag seinen Verletzungen erlag. Die Witwe erklärte jedoch, es könne sich um einen Racheakt Jugendlicher handeln, der nichts mit der Randale zu tun habe.

Die schlimmsten Krawalle gab es in Grigny südlich von Paris. Etwa 200 Jugendliche griffen dort Polizisten mit Steinen und anderen Wurfgeschossen an, mit einem Schrotgewehr wurde auf Beamte geschossen. Zwei Polizisten kamen mit Verletzungen ins Krankenhaus, mehr als 30 Beamte wurden leicht verletzt. Das Fernsehen zeigte Schutzschilde von Beamten mit Einschüssen.

Die Randalierer seien «fast militärisch organisiert» und richteten ihre Angriffe «eindeutig gegen staatliche Einrichtungen und Institutionen», sagte der Generaldirektor der Nationalpolizei, Michel Gaudin. Brandsätze wurden gegen Schulen, Rathäuser, aber auch zwei Kirchen geworfen. In Evry bei Paris entdeckte die Polizei in einem Lagerraum direkt unterhalb eines Polizeibüros etwa 100 Molotow-Cocktails, von denen die Hälfte «bereit zum Einsatz» waren.

Bewohner begannen damit, Bürgerwehren zu organisieren. «Heute Abend drehen wir Runden, um Autos und Geschäfte zu schützen. Wir wollen diesen Schlägern zeigen, dass wir keine Angst vor ihnen haben», sagte ein Bewohner von Drancy am Stadtrand von Paris. Eine Gefahr der Instrumentalisierung der Gewalt durch Islamisten haben die Behörden bislang nicht ausgemacht. (tso/dpa)

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