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Politik: Unter dem neuen Präsidenten Wahid meldet Jakarta seine Rolle als Führungsnation der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN an

Obwohl Abdurrahman Wahid der höchste Repräsentant der Lieblingsnation der burmesischen Militärdiktatur ist, bekam auch der neue indonesische Präsident am Sonntag die unter Hausarrest gehaltene Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi nicht zu sehen. Das hätte er gerne gewollt, schließlich gelte seine ganze Sympathie dieser Frau, hatte Wahid gesagt.

Obwohl Abdurrahman Wahid der höchste Repräsentant der Lieblingsnation der burmesischen Militärdiktatur ist, bekam auch der neue indonesische Präsident am Sonntag die unter Hausarrest gehaltene Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi nicht zu sehen. Das hätte er gerne gewollt, schließlich gelte seine ganze Sympathie dieser Frau, hatte Wahid gesagt.

Das sind völlig neue Töne aus einem Land, das bisher das große Vorbild für die menschenverachtenden Generäle in Rangun war. Denn dort war die führende Rolle der Armee auch in der Politik in der Verfassung festgeschrieben (und bleibt es noch sechs Jahre), und in 23 Suharto-Jahren hatte man sich stets strikt an die gemütliche Regel gehalten: Bloß keine Einmischung in die internen Angelegenheiten eines Nachbarlandes.

Doch seit der Wahl Wahids am 20. Oktober weht ein anderer Wind in Jakarta. Der nach zwei Schlaganfällen schwer behinderte und fast blinde neue Präsident ist ein Mann in großer Eile. Acht der neun ASEAN-Staaten in den vier Tagen von Samstag bis Dienstag zu besuchen - das ist selbst für einen gesunden und jüngeren Politiker ein mörderisches Programm. Aber Wahid geht es darum, so schnell wie möglich zwei Dinge klarzustellen. Erstens: Indonesien ist nach zwei chaotischen Jahren, die zum Sturz Suhartos und der Wahl der ersten demokratischen Regierung des Landes führten, wieder auf der Weltbühne zurück und meldet abermals seine Rolle als Führungsnation der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN an. Dafür ist es notwendig, die besonders nach den Ausschreitungen in Ost-Timor schwer belasteten Beziehungen zu den Nachbarn wieder zu verbessern. Zweitens: Indonesien will schnellstens das Geld und die unternehmerische Initiative der in Richtung Singapur geflohenen chinesischen Minderheit zurückholen. 80 Milliarden Dollar sollen diese Leute aus Indonesien abgezogen haben. Wenn Indonesiens Chinesen nicht zurückkehren, dann werden auch die anderen Investoren fortbleiben, viele von ihnen ebenfalls Chinesen aus Taiwan, Hongkong, Singapur und Thailand. Da die Wiederbelebung der zusammengebrochenen Wirtschaft jedoch die wichtigste Aufgabe der neuen Regierung ist, damit unter anderem auch die neue Demokratie Bestand haben kann, galt es keine Zeit zu verlieren.

In Glodok, der Chinatown von Jakarta, stehen rechts und links der Straßen immer noch die ausgebrannten Gebäude chinesischer Geschäftsleute, aber der Handel hat seit der Wahl Wahids um 70 Prozent zugenommen. "Die Tage der Straßenschlachten sind vorbei, bitte kommen Sie zurück", war denn auch die flehende Bitte des neuen Präsidenten an die auslandschinesische Geschäftswelt in Südostasien. Es ist kein Zufall, dass sein Wirtschaftsminister ein Chinese ist, und dass eine seiner ersten Amtshandlungen ein Treffen mit den chinesischstämmigen Tycoons seines Landes war. Die chinesische Minderheit in Indonesien umfasst kaum mehr als fünf Prozent der Bevölkerung, ihre Stellung in der Geschäftswelt ist jedoch dominierend.

Aber die Auslandschinesen sind jetzt gar nicht einmal mehr so besorgt um ihre Sicherheit, als um die Sicherheit ihres Geldes. Denn wie in den meisten südostasiatischen Ländern, die von der asiatischen Wirtschaftskrise schwer betroffen sind, ist auch in Indonesien bisher so gut wie gar nichts geschehen, um das verrottete Bankensystem, den undurchsichtigen Kapitalmarkt und die von faulen Krediten zerstörten Finanzinsitutionen in Ordnung zu bringen. In Singapur, wo Wahid vor 500 schwergewichtigen chinesischen Geschäftsleuten sprach, herrschte denn auch eher eine abwartende Stimmung: "Vielleicht kehren 10 oder 15 Milliarden Dollar zurück, aber mehr im Augenblick auf keinen Fall", meinte einer der Umworbenen.

Thailand und die Philippinen sind zusammen mit dem Nicht-ASEAN-Mitglied Südkorea die führenden Staaten der neuen asiatischen Demokratie-Bewegung. Dass der Neuzugang Indonesien in diesem Verein zum Mitspieler werden will, wurde besonders bei Wahids Bangkok-Visite am Sonntag deutlich. Aber dabei will es der neue Präsident nicht belassen. Er denkt bereits an eine Achse der drei volkreichsten Nationen Asiens, nämlich China, Indien und Indonesien, die mit dem Geld und der Technologie der Japaner ein Gegengewicht zu den USA und Europa schaffen soll.

China wird deshalb auch das Ziel seiner ersten Staatsvisite außerhalb ASEAN sein. Doch ist das eine realistische Zukunftsvision oder bloß Tagträumerei? In den ASEAN-Hauptstädten ist man eher skeptisch und erinnerte den eiligen Gast daran, welche Divergenzen allein nur zwischen Indien und China oder Japan und China bestehen.

Gabriele Venzky

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