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Unterhaltsrecht: Arbeit, Mutter, Kind

Im Streit um das neue Unterhaltsrecht geht es vor dem Bundesgerichtshof auch um Lebensmodelle. Am Donnerstag soll ein Grundsatzurteil fallen.

Da ist er wieder, der „Rabenmuttergedanke“. Herbert Geisler spricht ihn aus, Rechtsanwalt der Klägerin im Grundsatzstreit um das neue Unterhaltsrecht vor dem Bundesgerichtshof (BGH). „Kindergarten bis zum Abend statt Sport im Verein oder Musikunterricht, da kann einem dann schon der Rabenmuttergedanke kommen.“ Geisler kritisiert die neuen Regeln für den Betreuungsunterhalt, über die der BGH am Mittwoch in Karlsruhe verhandelt hat. An diesem Donnerstag will er sein Urteil verkünden, ein Grundsatzurteil, wie die Richter selbst betonen. „Vielleicht können wir hier ein Korsett schaffen“, sagen sie.

Ein Korsett zwängt normale Menschen ein, für Juristen bedeutet es dagegen Halt. Genau dieser fehlt ihnen, gerade den Familienrechtsanwälten, seit zum 1. Januar dieses Jahres das neue Unterhaltsrecht in Kraft getreten ist. Es beschränkt den Unterhalt, den der eine Elternteil dem anderen für die Pflege kleiner Kinder schuldet, solange dieser deswegen nicht arbeiten gehen kann. Die Grenze liegt bei drei Jahren, sowohl für eheliche wie für nichteheliche Partnerschaften; danach kann die Frist verlängert werden, wenn dies der Billigkeit entspricht, wie es im Gesetz heißt. Zuvor hatten die Gerichte den Müttern – in fast allen Fällen sind es Mütter – acht Jahre gegeben, bis sie zumindest in Teilzeit wieder arbeiten gehen sollten.

Geisler, der eine unverheiratete Mutter vertritt, die mit ihrem Exfreund zwei Kinder hat und sich noch um ein drittes aus früherer Ehe kümmern muss, möchte das alte Rechtsprechungsmodell auch auf die neuen Gesetze übertragen wissen. Dieser „gesunde Menschenverstand“ sei dem Parlament abhanden gekommen, denn nun würde eine Zwei-Klassen-Kindergesellschaft geschaffen: Solche, die mit der Mutter in neue Partnerschaften kämen und dort weiter gefördert würden, und solche, bei denen die Mutter allein erzieht und sich in den prägenden Entwicklungsphasen nicht um das Kind kümmern könne, da sie Vollzeit arbeiten gehen müsse.

„Der Gesetzgeber hat ein anderes Konzept“, sagt dagegen Norbert Gross, Anwalt des Vaters. Die Mütterbetreuung sei nicht mehr das Grundmodell. Dass die Frau zeitig nach Geburt der Kinder wieder in den Job ginge, entspreche „heutiger, moderner Lebensgestaltung“. Wann davon Ausnahmen zu machen seien und der Betreuungsunterhalt über die Drei-Jahres-Frist zu verlängern sei, das müsse nur noch im Einzelfall entschieden und von der Mutter gut begründet werden.

Die Richter deuteten an, in dieser „strittigen und bislang nicht geklärten Rechtsfrage“ einen Mittelweg zu suchen, der allen Interessen gerecht wird. Denen der vor dem BGH streitenden Parteien, aber auch den Tausenden von Fällen, in denen aktuell vor Gerichten um Betreuungsunterhalt gekämpft wird.

Diese Zahl steigt, denn das neue, für Männer im Zweifelsfall günstigere Recht ist auch für Trennungen aus der Vergangenheit anwendbar. Wer meint, er zahlt zu viel und zu lange Unterhalt, kann jetzt klagen. Der Senatsvorsitzende Claus Sprick sagt, man müsse nach Kriterien suchen, die für die vielen Gestaltungen generalisierbar seien. Eine Übertragung des alten, starren Modells, wonach nach acht Jahren Teilzeit- und nach 15 Jahren Vollzeitarbeit zumutbar war, auf das neue Recht lehnt er ab. Dass jedoch zumindest nach nichtehelichen Partnerschaften Unterhalt umso eher fällig werden könnte, wenn sich die Gemeinschaft einem ehelichen Familienmodell angenähert habe, hält er für „durchaus gerechtfertigt“. Im Urteil werde das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen, sagte der Senatsvorsitzende.

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