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Politik: Unternehmen Zumutung

Rot-Grün plant, die Rentner stärker zu belasten – die Union will Notoperationen am System nicht mittragen

Zwei Wochen vor der rot-grünen Kabinettsklausur zur Rentenpolitik wird immer deutlicher: Die Alten werden zur Stabilisierung der Beitragssätze der arbeitenden Generationen einen Teil beizutragen haben. Nachdem Sozialministerin Ulla Schmidt gesagt hat, sie halte eine Verschiebung der nächsten Rentenanpassung von Juli 2004 auf Januar 2005 für „verantwortbar“, gilt diese Maßnahme fast als abgemacht. Zumal die Grünen sogar eine Verschiebung um ein ganzes Jahr für richtig halten. Doch dabei wird es nicht bleiben. Schmidts Ministerium prüft auch, ob Neurentner ihre Zahlung erst am Monatsende bekommen sollen und ob der Beitrag der Rentner zur Pflegeversicherung von 0,85 auf 1,35 Prozent erhöht wird.

Der CDU-Rentenexperte Andreas Storm sieht in den geplanten, wenn auch noch nicht beschlossenen Maßnahmen „das Gegenteil einer verlässlichen Rentenpolitik“. Zusammengenommen würden die rot-grünen Überlegungen auf eine „Rentenkürzung“ hinauslaufen. Das werde die Union nicht mitmachen, sagte Storm dem Tagesspiegel. Für „Notoperationen“ stehe seine Partei nicht zur Verfügung. Die Probleme bei der Rentenkasse, wo ein Loch von acht bis zehn Milliarden Euro zu stopfen sei, seien eine „Spätfolge des Fehlers von Bundeskanzler Gerhard Schröder, den demographischen Faktor abzuschaffen“. Den hatte die Union einst bei ihrer Rentenreform eingeführt, um das Ansteigen der Renten zu dämpfen.

Freilich kann Rot-Grün – im Gegensatz zur großen Rentenreform, die parallel diskutiert wird – auf die Kooperation der Union verzichten. Es genügt, eine Mehrheit im Bundestag zu bekommen, der Bundesrat hat bei der Rente keine echten Mitwirkungsrechte. Bis auf einen Punkt, der angesichts der Finanzmisere in der Rentenkasse dennoch schmerzen kann: die Verschiebung der Auszahlung an neue Rentner. Das bringt nach Expertenschätzung eine Einsparung von immerhin 0,7 Milliarden Euro. Doch der Bundesrat muss zustimmen. Nach den Äußerungen von Storm ist das fraglich.

Damit ist auch offen, ob die rot-grüne Regierung das Geld zusammenbekommt, um das Loch ganz ohne Anhebung des Beitragssatzes zu stopfen, wie sie es bislang versprochen hat. Ohne Gegenmaßnahmen dürfte der Beitragssatz nach Schätzungen auf 20,3 Prozent steigen. Zur Gegenfinanzierung des Lochs in der Rentenkasse kämen nach Expertenmeinung etwa eine Milliarde Euro aus der Verschiebung der Rentenanpassung, eine knappe weitere Milliarde aus dem höheren Pflegebeitrag der Rentner, der Großteil aber aus einer weiteren Senkung der Rücklage in der Rentenversicherung. Storm hält eine weitere Absenkung für „außerordentlich problematisch“, weil dann die Rentenversicherung noch mehr am Tropf des Finanzministers hänge. Selbst Hans Eichel will das offenbar nicht: Am Sonntag warnte er vor einer Verringerung der Reserve und empfahl sogar eine Erhöhung, um einen „richtigen Puffer zwischen die Rentenkassen und den Bundeshaushalt zu legen“. Offenbar fürchtet der SPD-Finanzminister um die Stabilität seines Etats, wenn er noch mehr in die Rentenkasse zuschießen muss.

Die für ihre direkten Worte bekannte Kieler Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) hält es derweil für richtig, den Rentnern etwas zuzumuten. Nullrunden für ein oder zwei Jahre seien zu verantworten. Simonis sagte im Deutschlandfunk, auch andere müssten mit Nullrunden, sogar mit Einkommensverzicht rechnen, um ihre eigene wirtschaftliche Zukunft zu retten. Die meisten älteren Menschen seien „sehr, sehr gut versorgt“.

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