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Untersuchungsausschuss: Sachsen: Sumpf, Affäre – Hexenjagd?

Der Untersuchungsausschuss zur Abteilung Organisierte Kriminalität im sächsischen Landtag hört die Schlüsselfigur Simone H. an. Unter ihrer Leitung wurde der "Sachsen-Sumpf" des organisierten Verbrechens aufgedeckt, der inzwischen zum Reich der Legenden gezählt wird.

Von Matthias Schlegel

Trotz ihrer schweren Erkrankung wolle sie aussagen, denn sie ertrage sie es nicht länger, dass "aus Gründen der Staatsräson falsche Darstellungen, Lügen und Spekulationen" über sie verbreitet würden. Mit diesen Worten beginnt die großgewachsene, 49-jährige Frau mit der Kurzhaarfrisur am Montag in Dresden vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ihre rund vierstündige Erklärung.

Simone H. ist eine Schlüsselfigur in jener Affäre, die 2007 nicht nur Sachsen, sondern ganz Deutschland bewegte. Als Leiterin der von ihr aufgebauten Abteilung Organisierte Kriminalität (OK) im Landesamt für Verfassungsschutz verantwortete sie, dass jene 15.600 Seiten an Akten zusammengetragen wurden, die den Verdacht nährten, kriminelle und korrupte Netzwerke bis hinein in die Spitzen von Staat und Justiz würden Sachsen beherrschen. Der "Sachsen-Sumpf" wurde zum Synonym für ein Verdachtsgeflecht, das selbst Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) zu der Warnung veranlasste, dass das organisierte Verbrechen in bisher ungekannten Umfang zuschlagen könnte.

Später, als die Abteilung OK wegen eines einschlägigen Verfassungsgerichtsurteils längst wieder aufgelöst worden war, verwiesen externe Gutachter den "Sachsen-Sumpf" ins Reich der Legende und bezeichneten den Aktenberg als Ergebnis eines losgelöst agierenden Referats mit einer übermotivierten, überforderten Leiterin. Ermittlungen wurden in den meisten Fällen eingestellt. Aus der "Sachsen- Sumpf"-Affäre war eine Verfassungsschutzaffäre geworden.

Maiziére nimmt Simone H. ausdrücklich in Schutz

Simone H. erkrankte bereits im Juli 2007 schwer. Gegen sie wurden diverse Disziplinar- und später auch Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Geheimnisverrat eingeleitet. Am Montag nun trat sie vor den Ausschuss, der untersuchen soll, was im Kern von den Verdächtigungen bleibt und welche Verantwortung die Staatsregierung trägt.

Ausführlich versuchte Simone H., die Vorwürfe der externen Fachleute zu entkräften. So habe das OK-Referat "kein unkontrolliertes Eigenleben" geführt, keine Akten manipuliert und auch keine Kontrollmechanismen unterlaufen. Sie weist den Vorwurf mangelnder nachrichtendienstlicher Qualifikation in ihrem Referat zurück. Den früheren Landesinnenminister und heutigen Kanzleramtschef Thomas de Maizière nimmt Simone H. ausdrücklich in Schutz. Er hatte trotz des Votums des Verfassungsgerichts, dass das Landesamt für Verfassungsschutz nur bei Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung tätig werden dürfe, entschieden, die Beobachtungen des Milieus durch das OK-Referat fortzuführen.

Als das Material dann immer brisanter geworden sei, habe sie mehrfach beim damaligen Verfassungsschutz-Chef Rainer Stock darauf gedrungen, die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten, weil sie sich sonst einer Strafvereitelung im Amt schuldig machen würden. Mit Hinweis auf den Geheimnis- und Persönlichkeitsschutz sei dies immer wieder verhindert worden, sagt H. Sich selbst sieht sie als Opfer einer "Hexenjagd". So sei sie trotz ihrer Hirnhauterkrankung in 46 Fällen von dienstlichen Vorgesetzten bedrängt worden, als Zeugin auszusagen. In 60 Fällen hätten Medien von ihren Dienstherren lancierte Berichte verbreitet, in denen sie "öffentlich verleumdet und bloßgestellt" worden sei. So mutet ihre Erklärung wie ein Plädoyer vor einem Arbeitsgericht an.

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