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Politik: Untersuchungsausschuss-Vorsitzender Neumann für Ermittlungen wegen Leuna-Akten - Entscheidung über Kohl-Verfahren nach Weihnachten

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur CDU-Parteispendenaffäre, Volker Neumann (SPD), hat das Kanzleramt aufgefordert, wegen der fehlenden Leuna-Unterlagen die Staatsanwaltschaft einzuschalten. "Das Kanzleramt tut gut daran, nicht nur disziplinarrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, sondern auch die Ermittlungsbehörden einzuschalten", sagte Neumann am Dienstag in der ARD.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur CDU-Parteispendenaffäre, Volker Neumann (SPD), hat das Kanzleramt aufgefordert, wegen der fehlenden Leuna-Unterlagen die Staatsanwaltschaft einzuschalten. "Das Kanzleramt tut gut daran, nicht nur disziplinarrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, sondern auch die Ermittlungsbehörden einzuschalten", sagte Neumann am Dienstag in der ARD. "Es ist für mich unverständlich, dass Akten im Bundeskanzleramt verschwinden." Ein Sprecher des Bundespresseamtes sagte, derzeit sei unklar, ob Anzeige erstattet werde. Die Suche nach den fehlenden Unterlagen im Zusammenhang mit der Privatisierung der ostdeutschen Raffinerie Anfang der 90er Jahre sei noch nicht beendet.

Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye hatte am Vortag erklärt, aus dem Kanzleramt seien offenbar nicht nur Leuna-Akten verschwunden, sondern es seien von vielen Unterlagen "faktisch keine Originale da". Derzeit werde untersucht, welche Akten aus dem Zeitraum von 1993 bis 1997 im Kanzleramt selbst oder in anderen Ministerien zu den Vorgängen um die Leuna-Privatisierung Auskunft geben könnten. Untersuchungsausschuss-Mitglied Friedhelm Julius Beucher (SPD) bewertete es im Inforadio Berlin-Brandenburg als einmalig, dass über den Leuna-Verkauf im Kanzleramt keine Originale mehr vorhanden seien. "Es ist immerhin eine Gesamtinvestition von über fünf Milliarden Mark, davon sind mehrere Milliarden Mark öffentliche Gelder. Da kann man nicht davon ausgehen, dass über die einzelnen Vorgänge nicht hinreichend Aktenvermerke angelegt worden sind." Die maroden Leuna-Werke waren 1992 an den französischen Konzern Elf Aquitaine verkauft worden. Damals sollen 85 Millionen Mark Schmiergelder und zu hohe Subventionen gezahlt worden sein. Die CDU hatte Spekulationen, in diesem Zusammenhang seien Schmiergelder in Millionenhöhe an sie geflossen, stets zurückgewiesen.

In der CDU-Spendenaffäre wächst unterdessen der Druck auf den CDU-Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl weiter. An diesem Mittwoch will sich erneut das CDU-Präsidium mit dem Thema befassen. Es werde unter anderem über das Fernsehinterview Kohls vom Donnerstag beraten, sagte ein Parteisprecher am Dienstag in Bonn. Der CDU-Ehrenvorsitzende hatte im ZDF eingeräumt, zwischen 1993 und 1998 als Parteichef rund 1,5 bis zwei Millionen Mark an Spenden an der offiziellen Kasse der CDU vorbei geschleust zu haben. CDU-Vorstandsmitglied Andreas Renner forderte den CDU-Ehrenvorsitzenden und Altkanzler im WDR auf, die bislang geheim gehaltenen Namen früherer Geldgeber bekannt zu geben. Im Moment schade Kohl seiner Partei mehr, als er ihr nütze. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, verlangte, die Namen müssten auf den Tisch. Der CSU-Politiker Peter Gauweiler schloss hingegen aus, dass der CDU-Ehrenvorsitzende Kohl die anonymen CDU-Parteispender nennt. "Kohl wird sein Wort nicht brechen, selbst wenn ihm Gefängnis droht", erklärte der frühere bayerische Umweltminister in der Tageszeitung "BZ". Nach Ansicht Gauweilers "müsste es einen Volksaufstand geben", falls Kohl Beugehaft drohen sollte. Gauweiler kritisierte die CDU-Führung: "Hier regiert mehr Heuchelei als Sittlichkeit". CDU-Generalsekretärin Angela Merkel und andere wollten sich auf diese Weise von Kohl befreien, "dem sie alles verdanken". Der Parteienkritiker und Verwaltungsrechtler Hans Herbert von Arnim forderte Kohl auf, bis zur restlosen Klärung der CDU- Spendenaffäre sein Bundestagsmandat und den CDU-Ehrenvorsitz ruhen zu lassen. Im Augenblick sei Kohl für seine Partei eine schwere Hypothek, sagte der Jurist der "Westdeutschen Zeitung".

Die Bonner Staatsanwaltschaft teilte unterdessen mit, sie werde vor Weihnachten keine Entscheidung mehr darüber treffen, ob sie gegen Helmut Kohl wegen der CDU-Spendenaffäre ein Ermittlungsverfahren einleitet. Dies sagte Oberstaatsanwalt Bernd König am Dienstag in Bonn. Die Anwälte des CDU-Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl haben der Bonner Staatsanwaltschaft ihre Unterlagen zur Verteidigung von Kohl im Zusammenhang mit der Parteispendenaffäre übergeben. Die von der CDU-Führung eingeschaltete Bonner Anwaltskanzlei hat bisher keine Akteneinsicht bei der ermittelnden Augsburger Staatsanwaltschaft erhalten. Das teilte Anwalt Hans Dahs in Bonn mit.

Unterdessen sorgt die Werbekampagne der CDU für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein 1996 weiter für Wirbel. Nach einem Bericht des "Stern" hatte die Solinger Werbeagentur von Mannstein der Landes-CDU die Honorarkosten für die schätzungsweise 300 000 Mark teure Kampagne erlassen. Die Christdemokraten hätten nur die Sachkosten in Höhe von 200 000 Mark zahlen müssen. Die restlichen 100 000 Mark sind nach Ansicht des Oldenburger Politologen Karl-Heinz Naßmacher eine "geldwerte Leistung" und damit als Spende zu werten. Der Beitrag sei aber nicht als Spende im Rechenschaftsbericht ausgewiesen. Folge die Bundestagsverwaltung der Einschätzung, müsste die CDU das Doppelte des gespendeten Honorars als Strafe zahlen.

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