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Sebastian Edathy muss erneut Stellung nehmen.

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Update

Untersuchungsausschuss: Ziercke und Edathy - am Ende steht Aussage gegen Aussage

Über Stunden wurden Ziercke und Edathy vernommen, am Ende bleibt es dabei: Aussage steht gegen Aussage. Allerdings haben die beiden schlüssige und souveräne Auftritte hingelegt - das ist ein Problem für die dritte zentrale Figur: den SPD-Abgeordneten Michael Hartmann.

Vor dem Untersuchungsausschuss am Donnerstagabend hat Sebastian Edathy eine seiner Aussagen vom Dezember festgehalten. "Ich habe nichts zu korrigieren oder Abstriche zu machen." Als Beleg dafür, dass seine Aussage, Michael Hartmann habe ihn fortlaufend über den Stand der Dinge informiert und dessen Informant sei Ziercke gewesen, führte Edathy an, dass er seinen Anwalt Christian Noll bereits Ende 2013 über diesen Umstand informiert habe. Der Anwalt, der auch bei der Befragung Edathys anwesend war, sei bereit, dies als Zeuge vor dem Ausschuss zu bestätigen.

Edathy wies zudem aufgebrachte Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit zurück. "Ich kann mich offenkundig besser erinnern als Hartmann, und was meinen Alkoholkonsum angeht, kann ich nur sagen, dass dieser nach 15 Jahren Bundestags-Erfahrung eher unterdurchschnittlich ist." Hartmann hatte Edathy des stark gestiegenen Alkoholkonsums bezichtigt. Er wies auch Spekulationen zurück, wonach er möglicherweise Informationen aus Niedersachsen bekommen habe - auch weil es dort zahlreiche Personen gegeben hat, die frühzeitig über den Fall informiert waren. "Ich habe von keiner anderen Stelle oder Person Informationen erhalten als von Michael Hartmann."

Oppermann sei profilierungssüchtig und extrem eitel

Sebastian Edathy zog während der Sitzung noch mal ordentlich über Thomas Oppermann her. Er sprach ihm die charakterliche Eignung für das Amt eines Bundestagsabgeordneten ab. "Ich kenne niemanden, der Thomas Oppermann mag." Der heutige SPD-Fraktionschef sei profilierungssüchtig und extrem eitel.

Edathys Auftritt ist etwas weniger auf Krawall ausgelegt als bei seinem ersten Auftritt vor dem Ausschuss. Er verheddert sich nicht, widerspricht sich nicht. Linken-Obmann Tempel sagte nach der Sitzung: "Er hat auch auf spontane Nachfragen schlüssig geantwortet, was ein Indiz für seine Glaubwürdigkeit ist."

Ein paar neue Details sind auch ans Licht gekommen. So behauptet Edathy, Hartmann habe sich auch bei der Polizei in Rheinland-Pfalz über allgemeine Ermittlungen in der Operation "Spade" informiert - auch um herauszufinden, wie dort mit sogenannten Kategorie2-Fällen umgegangen werde. Außerdem erklärte Edathy, dass er neben seinem Anwalt auch drei weitere Personen aus seinem persönlichen Umfeld über mögliche Ermittlungen gegen ihn informiert habe. Diesen Personen habe er schon Ende 2013 auch über seinen vermeintlichen Informanten Hartmann und dessen vermeintlichen Informanten Ziercke erzählt. Zu diesen Personen zählte auch sein Büroleiter, zu dem er ein überaus großes Vertrauensverhältnis gehabt habe, sowie dessen Vorgänger. Namen nannte Edathy nur in einer vertraulichen Sitzung nach der öffentlichen. Deshalb haben einige Ausschussmitglieder bereits angekündigt, dass es wohl weitere Zeugen geben werde, die man befragen wolle - darunter unter anderem der Anwalt von Edathy sowie diese Personen aus seinem Umfeld.

Ein gut vorbereiteter Jörg Ziercke

Zuvor hatte sich Jörg Ziercke, ehemaliger Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), vor dem Untersuchungsausschuss zum Fall Sebastian Edathy präsentiert. Er war gut vorbereitet, detailreich und mit einer klaren Botschaft ausgestattet: "Ich war kein Informant." Zierckes Tonlage war ruhig, aber nicht leise. An für ihn entscheidenden Stellen hob er die Stimme, wurde etwas lauter.

Der frühere Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, am Donnerstag vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Berlin.
Der frühere Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, am Donnerstag vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Berlin.

© AFP

Dabei ist es kein leichter Gang für Ziercke, der vor wenigen Wochen erst aus dem Amt ausgeschieden war. Denn Sebastian Edathy hat schwere Vorwürfe gegen Ziercke erhoben. Er behauptete im Dezember vor dem Untersuchungsausschuss, dass Jörg Ziercke wichtige Informationen zu den Ermittlungen gegen Edathy an den SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann weitergegeben habe, die dieser dann wiederum an Edathy weitergereicht haben soll. Hartmann hatte das bereits im Dezember dementiert, Ziercke auch.

Und genau das wiederholt Ziercke an diesem Donnerstag auch. Ziercke machte vor dem Ausschuss deutlich, dass er keinerlei Motivation gehabt habe, einen Menschen, der ihm "nicht besonders sympathisch" war, zu schützen. Der ehemalige BKA-Präsident beschrieb Edathy aufgrund seiner Erfahrungen mit ihm als Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses als arrogant, überheblich und nicht an der Sache interessiert.

Ziercke wirft Edathy vor, unter Realitätsverlust zu leiden

Ziercke gab zwar zu, dass er sich in regelmäßigen Abständen mit Hartmann, der Innenpolitiker in der SPD-Fraktion war, getroffen habe. "Allerdings hat Hartmann nie die rote Linie überschritten und mich zur Verletzung meiner Amtspflichten verleitet: Wir haben nie über den Fall Edathy gesprochen." Ziercke beschreibt das Verhältnis zu Hartmann als professionell. Man habe über Fragen der Innenpolitik gesprochen wie Vorratsdatenspeicherung oder Terrorismusbekämpfung, nicht aber über Privates.

Ziercke machte deutlich, dass es auch in den Aussagen Edathys erhebliche Widersprüche gebe, die verdeutlichten, dass er gar nicht die Quelle sein konnte. So sei Edathy schon allein durch die Berichterstattung über die Ermittlungen gegen einen kanadischen Kinderpornoversand, bei dem Edathy Filme bestellt hatte, ausreichend gewarnt gewesen. Auch habe er Hartmann gar nicht bei einem Treffen am 21. Januar 2014 über bevorstehende Ermittlungen und Hausdurchsuchungen informieren können, weil eine entsprechende Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hannover erst am 28. Januar getroffen wurde. Außerdem bezeichnete es Ziercke als "mehr als dubios", dass Edathy seinen Laptop erst als gestohlen gemeldet hatte, als seine Privaträume schon durchsucht wurden.

Ziercke warf Edathy vor, unter erheblichem Realitätsverlust zu leiden. "Hat er wirklich geglaubt, er könne unethisch und unmoralisch handeln und trotzdem wiedergewählt werden?" Ziercke bestritt zudem, dass er die SPD habe schützen wollen. "Ich bin kein Parteisoldat und war noch nie auf einem SPD-Parteitag", sagte Ziercke, der langjähriges SPD-Mitglied ist.

Ziercke wird nervös

Für Ziercke sind die Vorwürfe Edathys auch deshalb brisant, weil er schon einmal im Fokus stand im Fall Edathy, weil Thomas Oppermann, heutiger SPD-Fraktionschef, publik machte, dass es ein Telefongespräch zwischen ihm und Oppermann gegeben hat. Auch da stand der Vorwurf des Geheimnisverrats im Raum. Aber Ziercke und auch Oppermann widersprachen der Version, er habe Oppermann über Ermittlungen gegen Edathy unterrichtet. Trotzdem kommt es auch in der Untersuchungsausschusssitzung auf dieses Thema - und dies ist der Moment, als aus dem souveränen Ziercke der nervöse Ex-BKA-Präsident wird. Er verweist bei Fragen zum Telefonat mit Oppermann auf das Protokoll der Innenausschusssitzung im Februar 2014. Das aber wollen die Abgeordneten ihm nicht durchgehen lassen. Ziercke verlangt Rechtsbeistand. Die Sitzung muss unterbrochen werden, damit sich alle beraten können. Am Ende durfte Ziercke nicht aus den Protokollen vorlesen.

Da in diesem Fall so oft Aussage gegen Aussage steht, geht es vor allem um die Glaubwürdigkeit der Zeugen. Ziercke stützte weitestgehend die Aussagen Hartmanns aus der Sitzung im Dezember, in einem Punkt, der die Nähe zwischen Hartmann und Ziercke zeigen könnte, widersprechen sie sich. Hartmann behauptete, Ziercke sei auf seinem 50. Geburtstag gewesen, Ziercke sagte nun, er sei zwar eingeladen worden, war aber nicht da. Dann schaltet sich auch noch die Ausschussvorsitzende Eva Högl ein und sagte: "Ich war da und Ziercke war nicht da." Die Grüne Obfrau Irene Mihalic kontert: "Aber warum haben sie da nicht bei der Befragung von Hartmann nachgehakt?" Später wird Högl auf Twitter klarstellen. "Ich hätte besser gesagt, dass ich Ziercke nicht gesehen habe, das wäre präziser gewesen."

Ziercke informierte den Ausschuss, dass er seine Behörde angewiesen haben, sich von der Generalstaatsanwaltschaft Celle und der Staatsanwaltschaft Hannover auf dem Laufenden halten zu lassen, da es sich bei Edathy um einen besonders brisanten Fall handele. Auch weil Edathy der Besitz von Material der Kategorie 2, einer Art Grauzone, vorgeworfen wurde. "Wenn es da Ermittlungen gegeben hätte, hätte das auch Auswirkungen auf andere K2-Fälle gehabt." Die Gespräche hätten aber nicht direkt mit ihm stattgefunden, sondern mit BKA-Abteilungen. So auch Ende Januar, als Maßnahmen gegen Edathy angekündigt wurden. Ziercke sagt aber, diese Informationen seien im BKA geblieben.

Fazit nach stundenlanger Sitzung

Über zehn Stunden haben die Ausschussmitglieder an diesem Tag Ziercke und Edathy vernommen, am Ende bleibt es dabei, dass Aussage gegen Aussage steht. Allerdings haben sowohl Ziercke als auch Edathy recht schlüssige und souveräne Auftritte hingelegt - und das wiederum ist ein Problem für einen anderen, die dritte zentrale Figur: den SPD-Abgeordneten Michael Hartmann. Dessen Auftritt im Dezember war geprägt von Erinnerungslücken, Schwankungen und ein paar Widersprüchen.

In der CDU geht man mittlerweile fest davon aus, dass Edathy einen Informanten hatte. Es könne Hartmann sein, aber dass dessen Quelle beim BKA zu verorten sei, sei fraglich. Sie sehen eher Niedersachsen im Fokus. Dies ist aufgrund der Tatsache, dass der dortige Innenminister ein Sozialdemokrat ist, auch parteipolitisch motiviert. Die Linken wiederum sehen die Quelle tatsächlich eher im BKA - ohne, dass es Ziercke sein muss. Nur die SPD sieht Hartmann bestätigt - und Edathy für weniger glaubwürdig. Allerdings dürfte auch diese Einschätzung eher parteipolitisch motiviert sein.

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