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Bei den Anhörungen zum 6. Januar werden Teile des Telefonats des damaligen US-Präsidenten Donald Trump mit dem Innenminister Georgias, Brad Raffensperger, vorgeführt.

© Al Drago/REUTERS

Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol: Im Visier von Trump – weil sie ihren Job machten

Am vierten Tag der Anhörungen zum Sturm auf das US-Kapitol geht es um den großen Druck des Trump-Teams auf alle, die sich der Wahlbetrugs-Lüge entgegenstellten.

Diese Anhörung endet zutiefst menschlich. Anders als an den bisherigen drei Tagen nehmen die neun Ausschussmitglieder nicht den Ausgang rechts hinter dem Podium, auf dem sie stets wie auf einer Richterbank nebeneinandersitzen und der Öffentlichkeit ihre gesammelten Beweise präsentieren.

Am Dienstag erheben sie sich von ihren Plätzen und laufen zu der Tischreihe, an der jeweils die Zeugen sitzen. Der demokratische Ausschussvorsitzende Bennie Thompson, seine republikanische Stellvertreterin Liz Cheney, ihr Parteikollege Adam Kinzinger, Adam Schiff, der an diesem Tag durch die Anhörung geführt hat: Einer nach dem anderen bedanken sie sich mit innigen Umarmungen bei den Frauen, die gerade ausgesagt haben, bei der Wahlhelferin aus Georgia, Shaye Moss, und ihrer Mutter Ruby Freeman.

Gewalt- und Todesdrohungen

Was die beiden Afroamerikanerinnen in der Sitzung des Untersuchungsausschusses berichtet haben, zeigt, mit welchem wahnhaften Eifer Donald Trump versucht hat, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 zu kippen – und welche Konsequenzen das auch heute noch für diejenigen hat, die sich dem entgegenstellten.

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Im Fall der zwei Frauen geschah dies einfach nur, weil Shaye Moss ihren Job machte. Sie erzählt, wie Trump auf einmal behauptete, dass sie eine professionelle Wahlfälscherin sei und wie sie daraufhin von dessen Anhängern rassistisch beschimpft und mit Gefängnis und Tod bedroht wurde. So sehr, dass sie wie alle ihre Kollegen im Wahlbezirk Fulton diesen Job nicht mehr wahrnehmen will.

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Auch ihre Mutter, Inhaberin eines Modegeschäfts, die sich selbst „Lady Ruby“ nennt, wurde mit hineingezogen. „Ich habe meinen guten Namen verloren, mein Sicherheitsgefühl.“

„Es gibt keinen Ort mehr, an dem ich mich sicher fühle“

Wenn sie Essen bestelle, habe sie Angst, ihren Namen anzugeben, schildert sie ihr Trauma. „Es gibt keinen Ort mehr, an dem ich mich sicher fühle. Wissen Sie, wie es sich anfühlt, wenn der Präsident der Vereinigten Staaten Sie ins Visier nimmt?“

[Lesen Sie auch: „Der Höhepunkt eines versuchten Staatsstreichs“: Die Schuld des Präsidenten – und die tickende Uhr der Aufarbeitung (T+)]

Der vierte Tag der Anhörung des Untersuchungsausschusses des Repräsentantenhauses ist ganz der Kampagne gewidmet, wie Trump, Rudy Giuliani und andere Helfershelfer Verantwortliche in jenen Bundesstaaten unter Druck setzten, die für den Wahlausgang entscheidend waren – und das, obwohl Anwälte und Berater dem Präsidenten immer wieder versichert hatten, dass seine Wahlbetrugsvorwürfe haltlos seien. Dies wurde in den zurückliegenden Ausschusssitzungen deutlich.

Trump war von Georgia besessen

Für Georgia habe Trump eine „besondere Obsession“ gehabt, sagt der Vorsitzende Thompson am Dienstag. Hier hat er es so weit getrieben, dass der Wahlleiter Gabriel Sterling, ein Republikaner, damals vor laufender Kamera einen Wutanfall hatte.

Das müsse sofort aufhören, rief Sterling erregt bei einer Pressekonferenz am 1. Januar 2021 in Atlanta, nachdem Trump schon wochenlang auf mit der Wahl befasste Personen Druck ausgeübt hatte. Es werde Verletzte und Tote geben, wenn der Präsident dies nicht einstelle.

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Wie recht er mit seinen düsteren Warnungen hatte, zeigte sich fünf Tage später, als ein Mob das Kapitol in Washington stürmte, um den Kongress davon abzuhalten, den Wahlsieg von Joe Biden offiziell zu zertifizieren. Heute sagt Sterling: „Ja, ich habe die Fassung verloren. Aber es erschien mir damals notwendig, weil es immer schlimmer wurde.“

67 Minuten dauerte der Anruf

Auch sein ebenfalls republikanischer Chef, der für die Wahlorganisation in Georgia zuständige Innenminister Brad Raffensperger, ist nach Washington gekommen, um öffentlich auszusagen. Ihn hatte Trump damals in einem Telefonat unverhohlen aufgefordert, genügend Stimmen für seinen Wahlerfolg in Georgia zusammenzubringen.

Eine Aufnahme des Gesprächs wurde an Medien weitergegeben, Teile davon werden nun vorgespielt. Da kann man zum Beispiel hören, wie Trump sagt: „Ich will nur 11.780 Stimmen finden“ – genau eine Stimme mehr, wie er gebraucht hätte, um anstelle von Biden in Georgia zum Sieger gekürt zu werden.

Raffensperger, der Trump in dem Telefonat mehrfach widerspricht, betont am Dienstag, es gebe keinerlei Zweifel, dass Biden die Wahl in Georgia mit einem Abstand von rund 12.000 Stimmen gewonnen habe. Das hätten auch mehrere Neuauszählungen bestätigt. „Zahlen sind Zahlen, und Zahlen lügen nicht“, sagt er. 67 Minuten dauerte das Telefonat, und Trump klingt in Teilen so wirr, dass im Sitzungssaal des Cannon House Office Building immer mal wieder ungläubig gelacht wird – trotz der Monstrosität der geschilderten Vorgänge. Aber es ist eben auch bizarr, wie der Ausschuss einmal mehr darlegt, dass eigentlich jeder um Trump herum und auch er selber wusste, dass die „big lie“ vom Wahlbetrug Quatsch ist.

Nie irgendein Beweis für Wahlbetrug

Auch von Trumps Ex-Justizminister William Barr werde am Dienstag weitere Teile seiner aufgezeichneten Anhörung gezeigt. Über Georgia sagte: Trumps Vorwürfe hätten keine Grundlage gehabt. „Wir haben niemals irgendeinen Beweis für Betrug gesehen.“ Gestoppt hat das Trump bekanntlich nicht. Besonders eindrücklich ist auch die Live-Aussage des (republikanischen) Sprechers des Repräsentantenhauses von Arizona, Rusty Bowers. Auch er musste enorm viel Druck aushalten, weil er den Behauptungen entgegentrat, in seinem Bundesstaat sei bei der Wahl am 3. November betrogen worden. Am Dienstag sagt er: „Niemand hat mir je Beweise für Wahlbetrug vorgelegt.“

Als er Trump und Giuliani um solche gebeten habe, habe Trump das Giuliani aufgetragen. Aber der habe nicht geliefert. Giuliani habe dann später erklärt: „Wir haben viele Theorien, aber wir haben keinen Beweis.“

[Lesen Sie auch: Tote, Verletzte, Erschütterte: Die USA und das Trauma der Kapitol-Erstürmung (T+)]

Das Trump-Team sei auf ihn auch mit der Theorie zugekommen, dass die Wahlmänner Bidens einfach ausgetauscht werden könnten. „Ich hatte das noch nie gehört“, beschreibt Bowers seine damalige Reaktion und dass er sich weigerte, dem nachzukommen. Man habe ihn nach etwas gefragt, was „komplett gegen seinen Eid“ verstoßen habe.

Dann wurde es persönlich

Der Druck wurde daraufhin richtig groß: 20.000 Emails, Zehntausende SMS und Anrufe hätten sein Büro arbeitsunfähig gemacht, erzählt Bowers. Und: Es wurde persönlich.

Wochenlang seien Protestierende vor seinem Wohnhaus aufmarschiert, berichtet Bowers, der selbst mal Trump-Fan war. Diese hätten ihn als pädophil, pervers und korrupt beschimpft, ihn bedroht und seine Nachbarschaft tyrannisiert. Besonders bitter: Seine Tochter war damals schwer krank und starb wenige Wochen später. Die Zeugen des Untersuchungsausschusses haben wohl selbst nicht gedacht, dass ihr Widerstand gegen Trump sie mal zu einer Art moderner Helden machen würde. Ähnlich ergeht es Liz Cheney, die wegen ihrer Kritik an dem ehemaligen Präsidenten inzwischen in ihrer Partei ziemlich isoliert dasteht.

Ihre Schlussworte an diesem Tag sind eine Mahnung, auch, weil die Gefahr für die amerikanische Demokratie alles andere als vorbei ist. „Institutionen verteidigen sich nicht selbst“, sagt sie. Das tun einzelne Menschen.“

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