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Labour-Politiker Owen Smith am 15. August 2016.

© AFP

Urabstimmung in Großbritannien: Smith will Labour-Partei von Corbyn übernehmen

Der bisherige Schattenminister Owen Smith tritt gegen den bei den Jüngeren populären linken Labour-Chef Jeremy Corbyn an - und gegen die Stimmung in der Partei. Ein Porträt.

Ob er das Zeug hat, britischer Premierminister zu werden, ist umstritten. Owen Smith ist kein beschriebenes Blatt in der Politik auf der Insel. Der 46-jährige Labour-Politiker ist erst seit 2010 im Parlament, bisher war er als Schattenminister für Wales nicht gerade ein Mann der ersten Reihe. Doch nun tritt er in der am heutigen Montag startenden Urabstimmung für die Parteiführung gegen Jeremy Corbyn an, der im Vorjahr aus einem Mitgliederentscheid als Sieger hervorgegangen war. Das Ergebnis soll am 24. September verkündet werden.

Der größere Teil des Schattenkabinetts trat zurück

Smith ist nicht der Favorit. Er wurde zum Herausforderer, nachdem die Unterhausfraktion im Juni gegen Corbyn revoltierte. Anlass war das Ergebnis des EU-Referendums. Corbyn ist kein glühender Anhänger der EU, er hält „Brüssel“, wie viele Sozialisten, für einen Hort des Neoliberalismus. Sein Wahlkampfauftritt für das „Remain“-Lager war eher defensiv. Das warf ihm die Fraktionsmehrheit vor, die proeuropäisch denkt. Und nahm das Brexit-Votum zum Anlass, den ungeliebten Kollegen Corbyn zu stürzen – in der Annahme, dass genügend Labour-Anhänger mitmachen. Eine Fehlkalkulation möglicherweise, denn gerade in Labour-Regionen waren die Stimmenanteile für den Brexit weit höher als erwartet. Dennoch trat der größere Teil des Schattenkabinetts zurück, Smith unter ihnen.

Seit sich die Corbyn-Gegner auf ihn verständigten, ist der frühere BBC-Journalist und Pharma-Lobbyist die Hoffnung derer, die Labour stärker auf die Mitte hin ausrichten. Am Wochenende warf der Londonder Bürgermeister Sadiq Khan Corbyn vor, „total versagt“ zu haben, und rief zur Wahl von Smith auf. Doch gerade unter Jüngeren ist der immer etwas zerknittert wirkende Corbyn populär, weil man ihm jene Geradlinigkeit attestiert, die man bei vielen Politikern im Westminster-Klüngel vermisst. „Wir sind keine Protestbewegung“, hält Smith dagegen, sondern „die Regierung im Wartestand“. Aber das verhallt.

Die Stimmung an der Basis tendiert derzeit zum Puritanismus. Pragmatiker wie Smith, der auch ein zweites EU-Referendum nicht ausschließt, sind in der Defensive. Dass ihn einige Gewerkschafts-Chefs unterstützen, scheint ihm nicht zu helfen

Corbyn-Hype

Außenpolitisch zeigen sich zwischen den Kontrahenten Unterschiede, die ungefähr denen zwischen Sozialdemokraten und Linkspartei in Deutschland entsprechen. Wirtschafts- und innenpolitisch vertritt Smith jedoch ähnliche Positionen wie Parteichef Corbyn – auch er will mehr staatliche Investitionen, mehr Sozialausgaben, mehr für Bildung tun, Privatisierungen rückgängig machen, die Verschuldung erhöhen. Nur wirkt er damit eben als derjenige, der Corbyn hinterherläuft.

Smith verweist auf die Umfragen und bezweifelt, dass auch genügend unabhängige Wähler den Corbyn-Hype mitmachen. Aber großen Teilen der Labour-Basis ist er einfach zu glattgebügelt. Als er jetzt bei einem der direkten Duelle mit Corbyn in Solihull sagte, die Labour Party müsse Wähler von den Tories herüberholen, da schallte ihm aus dem Publikum entgegen: „Blödsinn“.

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