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Hunderte Touristen suchen Abkühlung an der Ostsee auf der Insel Usedom.

© Stefan Sauer/dpa

Urlaub an Ost- und Nordsee: Proppevolle Strände, Restaurants und Hotels

Eis ist ausverkauft, Strandkörbe und Zimmer sind belegt. Wie sich das Sommerwetter auf den deutschen Tourismus an der Ost- und Nordsee auswirkt.

Es ist schwer zu sagen, wer das Eis gerade dringender braucht: die Wespen, die im Dutzend den Kiosk umschwirren, oder der Dreijährige, der schon zum Frühstück einen Flutschfinger verlangte und nun, um 12 Uhr, hoffnungsvoll vor der Eiskarte steht. Es sind 36 Grad, am Strand von Heringsdorf weht kein Lüftchen – dafür fließen Tränen: Flutschfinger ist ausverkauft, so wie Twister, Nogger Choc, und auch auf das Bildchen mit Magnum Mandel klebt Kioskbesitzerin Heidi gerade den gelben Zettel „Ausverkauft“. Nachschub gibt's nicht, Langnese komme mit der Produktion nicht mehr hinterher, sagt sie.

Langnese widerspricht nicht. Die gesteigerte Nachfrage stelle das Unternehmen vor Herausforderungen. „Daher sehen wir uns bei dem einen oder anderen Produkt kurzfristig auch mit Engpässen konfrontiert“, teilt eine Sprecherin auf Nachfrage mit. „Wir setzen aber alles daran, einen entsprechenden Nachschub sicherstellen zu können.“

Kein Strandkorb mehr frei, kein Eis in der Truhe, dieser Sommer bringt nicht nur Urlauber und Kioskbesitzer auf Usedom an die Grenzen. Wenigstens gibt es auf der Insel so langsam wieder freie Betten. In acht Bundesländern sind die Sommerferien inzwischen vorbei. Ein Glück für jene, die noch ans Meer fahren können. Die Buchungslage sei in diesem Sommer „sehr gut gewesen“, heißt es vom Tourismusverband.

Usedom ist kein Einzelfall. Überall an der Ost- und Nordsee sind die Strände, Hotels und Restaurants proppevoll „Für uns ist es das beste Jahr seit 2011“, sagt Nele Reidenbach vom Tourismusverband Vorpommern. „In diesem Sommer rufen uns täglich viele Spontanurlauber an, die noch für den nächsten Tag eine Unterkunft direkt am Wasser suchen. Solche Wünsche zu erfüllen, ist aufgrund des aktuellen Buchungsstandes nicht immer einfach.“ Auf Rügen liegt die Auslastung bei 94 bis 98 Prozent. Manche Unterkünfte sind bis auf das letzte Beistellbett belegt. Der heiße Sommer mache sich auch bei der Nutzung von Freizeitangeboten bemerkbar – wie beim Stand-up-Paddling.

Neues Rekordjahr für den Tourismus

In Kühlungsborn, dem größten Bade- und Erholungsort Mecklenburgs, sieht es ähnlich aus: Die Hoteliers und Vermieter von Ferienwohnungen seien für den verregneten Sommer 2017 mehr als entschädigt worden, heißt es vom Touristik-Service. Ein Urlauber berichtet: Der Strandkorbwächter saß tagelang bloß neben einem Schild „Alle belegt“. Dass Langzeiturlauber in der Stadt gerade kein Zimmer mehr bekommen, habe laut Touristik-Service auch eine gute Seite: Das Hinterland profitiere. Kurzurlauber hätten zwar mehr Glück, müssten „ihren Geldbeutel aber ein bisschen weiter aufmachen“. Was noch auffällig sei: Viele Gäste wollen jetzt schon für das kommende Jahr buchen. Sicher ist sicher.

Um in Travemünde die gewünschte Unterkunft zu bekommen, hätten Gäste spätestens im Februar 2018 buchen müssen. Dabei wurden dort schon neue Hotels gebaut, weil die Nachfrage in den vergangenen Jahren so hoch war. Spontan zu kommen, geht nur noch im absoluten Ausnahmefall. Auch an der Nordsee, von Sankt Peter-Ording bis Föhr, werden viele Kurzentschlossene mit Bedauern abgewiesen. Nur „vereinzelt“ gebe es auf der Insel noch Quartiere. „Gut angenommen werden in diesem Jahr wieder unsere fünf Schlafstrandkörbe“, erzählt Ann-Kathrin Meyerhof von Föhr Tourismus. 1,30 Meter breit, 2,40 Meter lang, bieten sie Platz für zwei Erwachsene. Die wind- und wasserdichte Plane mit zwei Fenstern an den Seiten lässt sich komplett schließen. Spürbar zugenommen hätten auch auf Föhr die vielen Tagesgäste: „Für einen Tag mal eben mit dem Rad rüber, die Insel erkunden oder einfach nur die 15 Kilometer große Sandkiste genießen.“ Der Herbst sehe ebenfalls vielversprechend aus.

Urlaub in Deutschland wird bei Einheimischen und Ausländern immer beliebter. Die Zahl der Übernachtungen von Reisenden aus dem In- und Ausland stieg im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum um vier Prozent auf 214 Millionen, teilte das Statistische Bundesamt mit. „Nie war Deutschland als Reiseland sowie Kongress- und Tagungsstandort attraktiver“, sagte Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, laut Mitteilung. Das schöne Wetter seit April habe noch mehr Menschen Lust auf Urlaub im eigenen Land gemacht, erläuterte Zöllick. „Nach dem deutlichen Anstieg bei den Übernachtungen im ersten Halbjahr steuert die Hotellerie in Deutschland auf das neunte Rekordjahr in Folge zu.“

Was leidet, ist das Last-Minute-Geschäft

Die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland stieg im ersten Halbjahr um fünf Prozent auf 38,6 Millionen. Reisende aus dem Inland mieteten sich 175,4 Millionen Mal in Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben (plus vier Prozent) ein. Für die Bundesbürger bleibt Deutschland mit Abstand das beliebteste Urlaubsziel. Die meisten zieht es an die Ost- und Nordsee, nach Bayern und in die Hauptstadt Berlin. Dieser Trend hinterlässt jedoch Spuren im Last-minute-Geschäft. Nicht nur Thomas Cook berichtet von Belastungen: Der in mehreren Ländern operierende Reisekonzern erklärte jüngst, viele Kunden entschieden sich, die Rekordtemperaturen zu Hause zu genießen.

Auch eine Alltours-Sprecherin meinte, es gebe „eine leichte Delle“. Ein Grund sei, dass sich die Reiseziele mehr und mehr von Mallorca an die deutsche See verschöben. „Unser regelmäßiges Konsumenten-Panel zeigt, dass in Jahren mit besonders schönem Sommerwetter in Deutschland der Trend etwas nach oben zeigt, Urlaub im eigenen Land zu machen“, bestätigt GfK-Tourismusexperte Roland Gaßner. „Es ist vorstellbar, dass dieser Sommer für das Last-minute-Geschäft in Richtung Mittelmeer nicht so erfolgreich wird.“

Gaßner rechnet dennoch damit, dass 2018 eines der Topjahre für die Tourismusbranche wird. Laut GfK stieg der Buchungsumsatz bei klassischen Reisebüros, Onlineportalen der Veranstalter und Internetportalen bis Ende Juni um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Neben dem guten Wetter nennt der Reisekonzern FTI einen zweiten Grund: „Nach dem frühen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft stieg die Buchungsnachfrage wieder unmittelbar an.“ FTI berichtete von einer sehr starken Nachfrage nach Reisen im Inland und nach Zielen, bei denen Urlauber die Anreise selbst organisieren, wie zum Beispiel Norditalien.

Noch einmal zurück nach Usedom. Am Ende gibt’s für den Dreijährigen ein Magnum weiße Schokolade, was selbstverständlich nicht zu bewältigen ist. Auf den Rest stürzen sich die Wespen.

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