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Urteil: Bewährungsstrafen für Tagebuch-Verbrennung

Wegen der öffentlichen Verbrennung eines Anne-Frank-Tagebuchs sind in Sachsen-Anhalt fünf Männer zu jeweils neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Zwei Angeklagte wurden mangels Beweisen freigesprochen.

Magdeburg - Das Amtsgericht Schönebeck sah es am Donnerstag als erwiesen an, dass die 24- bis 29-Jährigen die Tat während einer "Sonnenwendfeier" im Juni 2006 in Pretzien in der Nähe von Magdeburg gemeinsam geplant hatten. Die Männer wurden wegen Volksverhetzung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verurteilt. Der Verteidiger des Hauptangeklagten kündigte an, Rechtsmittel einzulegen. Der Prozess wurde aus Platzgründen im Landgericht Magdeburg geführt.

Die Buchverbrennung hatte im vergangenen Jahr bundesweit Empörung ausgelöst. An der "Sonnenwendfeier", die von einem Verein mit rechtsextremem Hintergrund veranstaltet worden war, hatten rund 70 Menschen teilgenommen. Für Aufsehen hatten in dem Fall auch die schleppenden Ermittlungen gesorgt, da die anfangs mit dem Fall betrauten Polizisten das Tagebuch nicht kannten.

Anne Frank war 1945 wenige Wochen vor der Befreiung im KZ Bergen-Belsen an Typhus gestorben. Richter Eicke Bruns bezeichnete die 15-Jährige in seiner Urteilsbegründung als Symbolfigur für die Vernichtung der Juden im Dritten Reich. Das Tagebuch als "artfremd" zu verbrennen, sei eine öffentliche Billigung des Holocausts. "Sie sprechen Anne Frank jede Menschenwürde ab", sagte Bruns zu den Tätern. Dies sei "ziemlich unverhohlener Rassismus", der an die Bücherverbrennung von 1933 in Berlin erinnere.

Richter: Alle wussten bescheid

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das Tagebuch bewusst ausgewählt wurde. Die Männer hätten sich mit Fackeln um das Feuer formiert und rechtsextremistische Sprüche aufgesagt. Dann sei zunächst eine US-Flagge im Feuer gelandet. Danach erfolgte der Aufruf, "alles Artfremde" in die Flammen zu werfen. Alle hätten gewusst, was folgen würde. "Wer dann nicht die Fackel wegwirft und sich umdreht, hat den Rubikon überschritten und wird zum Mittäter."

Der Direktor des Anne-Frank-Zentrums Berlin, Thomas Heppener, sagte: "Ich bin dankbar dafür, dass die Tat als eindeutig rechtsextrem eingestuft und vom Richter in einer spektakulären Ansprache an die Adresse der Täter gewürdigt wurde."

"Schlichtweg Kokolores"

Die Verteidigung hatte versucht, die Bücherverbrennung als "Befreiung von der Belastung des erdrückenden Buchinhalts" eines Einzelnen darzustellen und sprach von einem Missverständnis. Richter Bruns nannte dies "schlichtweg Kokolores". "Sie waren neu im Ort und haben sich beschwatzen lassen. Diese Tat sollte ihr Eintritt in die Gemeinschaft sein", sagte er dem 25-Jährigen, der das Buch in die Flammen geworfen hatte. Für ihn hatte die Staatsanwaltschaft zwölf Monate Haft auf Bewährung gefordert. Für vier weitere Männer wollte sie Bewährungsstrafen zwischen sieben und elf Monaten. Der Freispruch zweier Männer wurde unterstützt.

Die Verteidiger hatten für alle Freispruch gefordert. "Die Handlung war politisch unklug, aber nicht strafbar", sagte der Verteidiger des Haupttäters, Thomas Jauch. Er werde in jedem Fall Rechtsmittel einlegen. (tso/ddp)

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