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Hier soll nichts nach außen dringen.

© Michael Kappeler/dpa

Urteil über Informationsfreiheit: Kanzleramt darf zu seinen Geheimdiensten schweigen

Bürger haben keinen Anspruch auf Einsicht in Dokumente des Bundesnachrichtendienstes (BND) in der Regierungszentrale.

Geheimdienstunterlagen im Bundeskanzleramt müssen nicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) herausgegeben werden. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Donnerstag entschieden, solche Dokumente seien im Hinblick auf die operative Tätigkeit der Nachrichtendienste besonders geschützt. Geklagt hatte ein "Bild"-Journalist, der zu den RAF-Terroranschlägen 1977 und den nachfolgenden Strafverfahren recherchieren will.

In dem Prozess ging es indes weniger darum als um eine nicht erst durch die Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden heikel gewordene Frage: Wie halten es die Nachrichtendienste des Bundes mit der Transparenz?

Klassischerweise gibt es die nicht. BND, Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst arbeiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Was sie herausfinden, stellen sie den Regierenden zur Verfügung und nur selten, etwa  mit dem Verfassungsschutzbericht, dem großen Publikum. Wer allerdings nach Vorschriften sucht, die das Geheimsein im Einzelnen regeln, wird selten fündig. Die Verschwiegenheit der Dienste ist auch Tradition.

Behördenwissen steht jedem offen - theoretisch

Vor zehn Jahren trat das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft. War zuvor Amtsverschwiegenheit die Regel und die amtliche Information die Ausnahme, für die berechtigte Interessen nachzuweisen waren, verkehrte sich das Prinzip. Der Zugang zu Behördenwissen steht seitdem jedermann offen, und die Ämter müssen es begründen, wenn sie etwas für sich behalten wollen.

Bei den Nachrichtendiensten allerdings schrieben die Abgeordneten eine Extra-Ausnahme ins Gesetz: Ihnen gegenüber soll kein Informationsanspruch bestehen. Ein Rundumschutz, so dachte man in den Behörden. Woran damals offenbar niemand dachte: Alles, was der BND weiß, weiß auch das Kanzleramt.

Dies bestätigte in der mündlichen Verhandlung auch die Leiterin des dortigen IFG-Referats, das im Zuge der Snowden-Enthüllungen und der teils rechtswidrigen Lauschpraxis des BND mit entsprechenden Anträgen von Bürgern überhäuft wird. Das Kanzleramt führt mit seiner Abteilung sechs die Aufsicht über die Geheimdienste, ist selbst aber kein Geheimdienst - und wäre damit  theoretisch auskunftspflichtig.

Hat das Parlament das so gewollt? Vermutlich nicht. Aus der Gesetzesbegründung zum IFG geht hervor, dass die Abgeordneten die Geheimdienste der Informationsfreiheit umfassend entziehen wollten. Aber so ausdrücklich schrieben sie es nicht ins Gesetz. Nun urteilten die Bundesrichter, der bezweckte lückenlose Schutz gebiete, die im IFG unzureichende Regelung auf das Kanzleramt als Aufsichtsstelle zu erstrecken.

Journalisten haben Auskunftsanspruch

Das Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg hatte in dem Sachverhalt ebenfalls eine verhängnisvolle Konstellation gesehen, welche die Geheimdienste auf dem Umweg über die Regierungszentrale zur Ausforschung freigegeben hätte.

Es steht noch ein Weg offen. Da der Kläger Journalist ist, beruft er sich zugleich auf seinen presserechtlichen Auskunftsanspruch. Für ihn gibt es kein Gesetz, er folgt aus der Verfassung. Dementsprechend gibt es für Geheimdienste keine expliziten Ausnahmen. So hatte das Bundesverwaltungsgericht das Kanzleramt kürzlich auf eine Klage des Tagesspiegels in die Pflicht genommen, Auskünfte zum Geheimnisverrat beim BND zu geben.

Angesichts des Verlaufs der mündlichen Verhandlung kam das Urteil überraschend. Denn die Richter hatten zunächst durchblicken lassen, dass es auch nach dem geltenden IFG genügend Gründe geben kann, die Herausgabe von BND-Dokumenten im Einzelfall zu verweigern. Ein Pauschalschutz sei deshalb weder geboten noch lasse er sich aus dem Gesetz herauslesen. Das Kanzleramt hatte daraufhin vorgetragen, es sei mit der Bearbeitung einer Fülle diesbezüglicher IFG-Anträge überfordert.

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