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Bootsflüchtlinge vor der libyschen Küste.

© Santi Palacios/dpa

Urteil zu Flüchtlingsvisa: Menschenrechte allein können Fluchtprobleme nicht lösen

Recht auf Asyl heißt nicht Recht auf Reise ins Asyl, sagen Europas höchste Richter. Alles andere hätte eine Kapitulation der Flüchtlingspolitik bedeutet. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Erteilung humanitärer Visa für Flüchtlinge beendet die kurzzeitig währende Illusion, dass mit der konsequenten Anwendung von Menschenrechten politische Großprobleme zu lösen seien. So hatte es noch der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs Paolo Mengozzi in dem Rechtsstreit um eine syrische Familie gefordert, die sich bei der belgischen Botschaft im Libanon vergeblich um Visa bewarb. Man müsse notleidenden Menschen eine gefahrlose Reise ins Asyl gestatten, sonst wäre der Schutz nicht effektiv, den die Grundrechtecharta der EU verspricht, hieß es.

Es war ein Appell, der nicht überzeugen konnte

In der Logik der universellen Geltung von Menschenrechten ein folgerichtiger Schluss. Er stößt nur im Wortsinn an nationale und EU-Grenzen. Müssten die EU-Länder über ihre Botschaften Schutzbedürftigen Visa garantieren, wäre die europäische Flüchtlingspolitik auf den Kopf gestellt worden: Prinzipiell unbegrenzte Aufnahmepflichten statt Auswahl und Verteilung. In der Konsequenz hätten die Auslandsvertretungen zu Asylprüfungszentren umgemodelt werden müssen, um die Einreise überhaupt noch wirksam unter Kontrolle zu halten.

Es war deshalb mehr ein Appell des EU-Generalanwalts, der das Gericht sowohl rechtlich wie politisch nicht zu überzeugen vermochte. Trotzdem bleibt er wichtig. Die EU-Staaten müssen alles dafür tun, das Massensterben auf den gefährlichen Flüchtlingsrouten zu verhindern. Aber wie das zu geschehen hat, darauf können Grund- und Menschenrechte nicht allein eine Antwort geben. Es bleibt eine Aufgabe der Politik.

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