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Verfassungsrichter Udo Di Fabio spielt eine zentrale Rolle: Er bereitete das Verfahren vor, ist Berichterstatter und schrieb das mit Spannung erwartete Urteil.

© dpa

Urteil zur Eurorettung: Verfassungsrichter erteilen Euro-Gegnern eine Absage

Der Euro-Rettungsschirm von 2010 ist verfassungskonform. Skeptiker der geplanten Reform des Rettungsfonds sehen sich durch das Urteil dennoch bestätigt.

Von Antje Sirleschtov

Das Bundesverfassungsgericht hat die Griechenlandhilfe und den EU-Rettungsschirm gebilligt. Gleichzeitig stärkten die obersten deutschen Richter jedoch die Beteiligungsrechte des Bundestages: Künftige Finanzhilfen sind an die Vorgabe gekoppelt, dass der Haushaltsausschuss jedem Schritt zustimmen muss. Das Urteil sei „keine Blanko-Ermächtigung für weitere Rettungspakete“. Es dürfe keinen Automatismus für Zahlungen geben, der die Rechte der Abgeordneten aushebelt, entschied das Gericht am Mittwoch in Karlsruhe. Die Hilfspakete müssten klar definiert sein und den Parlamentariern die Möglichkeit zur Kontrolle und zum Ausstieg geben. Die drei Verfassungsbeschwerden einer Gruppe von Professoren sowie des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler blieben damit weitgehend erfolglos. Bei dem im vergangenen Jahr beschlossenen Rettungsschirm sehen die obersten Richter alle nötigen Kriterien erfüllt. Im Finanzstabilitätsgesetz seien Umfang und Zweck der Unterstützung sowie ein überschaubarer Zeitraum festgelegt. Voraussetzung sei eine einvernehmliche Billigung der EU-Staaten. Damit behalte die Bundesregierung ihre souveräne Entscheidungskraft.

Nachbesserungen fordert das Gericht allerdings bei der Einbeziehung des Parlaments in die Rettungsmaßnahmen. Es reiche nicht aus, dass der Bundestag die Rahmenbedingungen beschließe und die Regierung dann bei der konkreten Ausgestaltung nur noch den Haushaltsausschuss informiere. Vielmehr dürften Hilfen künftig nur dann gewährt werden, wenn der Ausschuss vorher zugestimmt habe.

Damit hat das Gericht auch keine neuen Hürden für die Ende September geplante Entscheidung des Bundestages über den erweiterten Rettungsschirm für Griechenland aufgestellt. Die schwarz-gelbe Koalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ringt derzeit um eine eigene Mehrheit für die Milliardenhilfen. Wie genau die Rechte des Parlaments künftig aussehen werden, ist aber noch offen.

Einer der prominentesten Kritiker der Ausweitung des Euro-Rettungsschirms, der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach, hat das Euro-Urteil des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich begrüßt. „Wir haben dieses Urteil erwartet“, sagte Bosbach am Mittwoch in der ARD. Das letzte Wort über künftige Rettungsaktionen habe jetzt der Bundestag. Nach dem Urteil dürfe die Bundesregierung nicht ohne Zustimmung des Haushaltsausschusses handeln. Dadurch trügen die Abgeordneten künftig auch mehr Verantwortung. „Das begrüße ich ausdrücklich.“ Der geplanten Reform des Rettungsschirms, werde Bosbach Ende September trotzdem nicht zustimmen. Er glaube aber, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine eigene schwarz-gelbe Mehrheit für das Gesetz erhalten werde. Auch derSPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider begrüßte das Urteil. Es bedeute eine Stärkung des Parlaments. „Es ist richtig, dass wir bei solch weitreichenden Entscheidungen zustimmen müssen“, sagte Schneider ebenfalls in der ARD.

Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßt Urteil „Das Europa der Parlamente wurde heute gestärkt“, erklärte Leutheusser-Schnarrenberger. Es sei richtig, die demokratisch gewählten Volksvertreter künftig noch enger in die Entscheidungen zur Eurorettung einzubinden. Leutheusser-Schnarrenberger wertete das Urteil auch als „ein überzeugendes Signal an die Finanzmärkte“. Die Entscheidung aus Karlsruhe bestätige die Verfassungsmäßigkeit der von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in den Euro. Die Währungsunion sei nicht nur eine Stabilitäts-, sondern eben auch eine Wertegemeinschaft.„Am inneren Zusammenhalt der Europäischen Union darf bei allen Problemen kein Zweifel bestehen“, mahnte die Justizministerin.

Wer waren die Kläger? Lesen Sie weiter auf Seite zwei.

Die Kläger waren Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty. „Euro-Rebellen“ nannte man sie bereits vor 13 Jahren, als sie 1998 vor das Verfassungsgericht zogen, um die Einführung der Gemeinschaftswährung zu beklagen. Es war dieselbe Professorengruppe, die auch jetzt wieder von den Karlsruher Richtern eine Entscheidung darüber einforderte, ob das erste Hilfspaket der Euro-Länder für Griechenland überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar war. Jetzt weiß man: das war es. Mit der deutschen Beteiligung an den Griechenland-Hilfen im Mai 2010 wurde nicht gegen die deutsche Verfassung verstoßen.

Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler gehört auch zu jenen Klägern, die die deutschen Bürgschaften für Griechenland in Höhe von 22,4 Milliarden Euro und die Beteiligung am ersten Euro-Rettungsschirm mit 123 Milliarden Euro plus eines Risikozuschlags von 20 Prozent für unzulässig halten. Nach seiner Auffassung verstießen die Maßnahmen unter anderem gegen EU-Recht.

Am Donnerstag will Schwarz-Gelb das seit Wochen umstrittene Gesetz über eine Erweiterung des Rettungsschirmes EFSF in den Bundestag einbringen. Bedeutungsvoller für die aktuelle Entwicklung könnte das Karlsruher Urteil also kaum sein. Der Bundestag hat am Dienstag schon mal vorsorglich die für Mittwochmorgen um neun Uhr geplante Generalaussprache über den Etat des Bundeskanzleramtes um eineinhalb Stunden verschoben. Weil diese sogenannten „Elefantenrunden“ traditionell für generelle Aussprachen der Kanzlerin und des Oppositionsführers genutzt werden und sich diese naturgemäß an diesem Mittwoch um die Rettung der Gemeinschaftswährung drehen werden, soll allen Beteiligten Gelegenheit gegeben werden, sich mit dem Urteilsspruch zu befassen.

Dass die Verfassungshüter den Klägern Recht geben und die Griechenlandhilfe stoppen, war nicht zu erwarten. Bereits in der mündlichen Verhandlung hatten sie deutlich gemacht, dass es nicht ihre Aufgabe sei, über den richtigen Weg zur Eurorettung zu entscheiden. Sie wollten vielmehr Vorgaben dafür machen, wie das Parlament an weiteren Rettungsaktionen für verschuldete EU-Länder beteiligt werden muss. Schließlich beklagten die Kläger insbesondere, dass der deutsche Steuerzahler im Zweifelsfall beim ersten Griechenland-Hilfspaket für eine Summe einstehen müsste, die fast der Hälfte des Haushalts von 2009 entspricht und im Krisenfall die Haushaltsplanungen des Bundestags extrem belastet, ohne dass die Volksvertreter ihr Königsrecht, das Etatrecht, ausüben könnten.

Mit dem heutigen Urteil wurde der Bundestag in seinen bestehenden Befugnissen maßgeblich gestärkt. Ohne das Parlament darf künftig kein Geld in den europäischen Rettungsfonds mehr fließen. (mit AFP/dpa)

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