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Michelle Obama

© AFP

US-Demokraten: Abend der Emotionen

Eine persönliche Liebeserklärung an die USA von Baracks Gattin Michelle Obama und ein todkranker Edward Kennedy, der die Zuschauer zu Tränen rührt: Der Nominierungsparteitag der US-Demokraten hat emotionsgeladen begonnen - doch die Siegesgewissheit des Obama-Lagers ist gewichen.

Es geht darum, die Herzen der Amerikaner zu gewinnen. Noch ringt Barack Obama, vor allem das Idol der Jugend, mit dem Misstrauen vieler US-Wähler. Deshalb startete der Parteitag der Demokraten mit Emotionen: Ein schwer von seinem Gehirntumor gezeichneter Senator Edward Kennedy beschwört "den Wandel", den das Land dringend brauche. Vielen der 18.000 Menschen in der in Rot und Blau getauchten Sporthalle treten Tränen in die Augen, als der große alte Mann seiner Partei schweren Schrittes die Bühne betritt. Und der erste Tag der Convention endet mit einer Liebeserklärung Michelle Obamas an Amerika. Aber trotz der perfekten Inszenierung, trotz der leidenschaftlichen, klugen Rede der Ehefrau Obamas, springt der Funke in Denver nur teilweise über.

"Ich liebe dieses Land!" sagte die hochgewachsene, in einem türkisen Kleid elegant gekleidete Ehefrau Barack Obamas fast ein wenig beteuernd. Jubel brach aus in der weiten Runde: Aber jeder wusste, dass Michelle Obama unausgesprochen gegen jene unglückliche Formulierung kämpft, die die Republikaner immer wieder genüsslich zitieren: Zu Jahresbeginn hatte sie einmal gesagt, die Nominierung ihres Mannes habe sie zum "ersten Mal in meinem Leben stolz auf Amerika gemacht". Michelle Obama will nun beweisen, dass sie "eine großartige First Lady" werden würde, wie ihre Mutter in einem eingespielten Video voraussagte. "Lasst uns auf unsere Träume hören und nicht auf unsere Ängste", sagte sie auffordernd und spricht von dem "Hunger nach Wandel", den ihr Ehemann stillen werde.

Obama als "schwarzer Kennedy" geadelt

Unzählige Redner forderten an diesem Montag in der brodelnden Halle ein "neues Amerika" mit einem Präsidenten Obama. Aber erst als Caroline Kennedy-Schlossberg, die Tochter des großen John F. Kennedy spricht, kommt der Saal völlig zur Ruhe. Sie spannt den Bogen zwischen ihrem ermordeten Vater, dem gleichfalls bei einem Attentat getöteten Onkel Bob Kennedy und Edward Kennedy hin zu Barack Obama. Damit gibt die Vertraute Obamas ihm auch öffentlich den Segen, dass sich der 47 Jahre alte Senator aus Illinois tatsächlich als der "schwarze Kennedy" fühlen darf, den viele in ihm sehen. "Nur zwei Menschen" hätten sie in ihrem Leben "wirklich inspiriert", Edward Kennedy und eben Obama, sagt sie. Der Bogen ist aus berufenem Munde geschlagen zwischen den ruhmreichen Kennedys und dem politischen Senkrechtstarter der Demokraten. "Die Arbeit beginnt wieder, die Hoffnungen wachsen wieder und der Traum geht weiter", sagte der 76-jährige Kennedy.

Michelle Obama wollte mit ihrer 20-minütigen Rede vieles gleichzeitig erreichen: Ihren Patriotismus belegen, zeigen, dass sie eine blendende Präsidentengattin sein würde, die großen Visionen ihres Mannes preisen - aber auch die Brücke zu den einfachen Menschen schlagen. Also pries sie die Werte der Arbeiter, ihren Fleiß, ihre Aufrichtigkeit, ihren Anstand. Denn Barack Obama will die noch sichtlich zweifelnde Mittelklasse überzeugen, will, dass sie glaubt, dass er dem Land mehr Wohlstand und mehr Frieden bringt - und nicht nur vage Versprechungen und Hoffnungen. "Obamas größte Herausforderung bei diesem Parteitag wird es sein, sich auf den Mittelstand zu fokussieren, sich mit ihnen zu identifizieren", sagte Senator Charles Schumer.

Michelle Obama vergisst in ihrer Rede nicht die unterlegene Konkurrentin ihres Mannes, Senatorin Hillary Clinton zu würdigen - als sie aber den Namen nennt, brandet lautstarke Begeisterung in der Sportarena auf. Fast scheint Michelle die Gefühle dämpfen zu wollen, als sie relativ schnell mit ihrer Rede fortfährt. Und als sie endet, gibt es zwar den erwarteten Jubel zum Höhepunkt des Abends - aber er hält sich in Grenzen. Der Konvent begann in dem neuen Bewusstsein, dass die Wahl des US-Präsidenten zum Erschrecken der Obama-Fans noch lange nicht gelaufen ist. Die Siegessicherheit ist gewichen.

Laszlo Trankovits[dpa]

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