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Eine Drohne im Flug.

© AFP

US-Drohnenangriffe in Pakistan: Der ungleiche Kampf

Drohnenangriffe der USA fordern immer wieder zivile Opfer. Das hat Amnesty International jetzt in einer Analyse nachgewiesen. Ist der Einsatz dieser Waffen überhaupt noch zu rechtfertigen?

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat 45 Drohnenangriffe analysiert, die die USA zwischen Januar 2012 und August 2013 in der pakistanischen Bergregion Nord-Waziristan geflogen haben. Dabei sollen die USA massiv gegen das Völkerrecht verstoßen und sogar Kriegsverbrechen begangen haben, heißt es in dem gestern veröffentlichten AI-Bericht.

Welches Ausmaß haben die Angriffe mit US-Kampfdrohnen?

Der amerikanischen Geheimdienst CIA setzt bewaffnete Drohnen seit mehr als zehn Jahren im Kampf gegen Terroristen und sogenannte feindliche Kämpfer ein – rund um den Globus. Die Ziele liegen dabei häufig in Ländern wie Somalia, Jemen und Afghanistan. Seit Ende 2004 richten sich die meisten Drohnenangriffe allerdings gegen Menschen in der pakistanisch-afghanischen Grenzregion Nord-Waziristan. Die schwer zugängliche Gegend gilt als Rückzugsort von militanten Al-Qaida-Extremisten und Taliban-Kämpfern.

Bei den Drohenangriffen sterben aber immer wieder auch Zivilisten. Nach einer Schätzung des Londoner „Büros für Investigativen Journalismus“ sollen seit 2004 bei insgesamt 376 Drohnenangriffen der CIA zwischen 2525 und 3613 Menschen getötet worden sein. Amnesty nennt dagegen unter Berufung auf den republikanischen US-Senator Lindsey Graham eine höhere Zahl: Ihm zufolge sollen bis Anfang 2013 insgesamt 4700 Personen durch amerikanische Drohnen getötet worden sein. Es sei allerdings unklar, ob dieser Wert auf offiziellen Quellen basiere, heißt es in dem Bericht.

US-Drohnenangriffe in Pakistan
US-Drohnenangriffe in Pakistan

© Tagesspiegel

Worauf stützt Amnesty seine Vorwürfe gegen die USA?

Die Organisation hat für den Bericht Interviews mit mehr als 60 Überlebenden und mit Augenzeugen von Drohenangriffen, ihren Angehörigen, Mitgliedern von bewaffneten Gruppen und pakistanischen Regierungsangestellten geführt. Dabei recherchierten AI-Mitarbeiter wenn möglich an den Orten, die Ziele von Drohnenangriffen geworden waren. Neun der insgesamt 45 Angriffe wurden von der Menschenrechtsorganisation genauer unter die Lupe genommen – darunter der Anschlag vom 24. Oktober 2012 auf die 68-jährige Pakistanerin Mamana Bibi, die bei der Gemüseernte auf einem Feld nahe der Ortschaft Ghundi Kala vor den Augen ihrer Enkel durch zwei von einer Drohne abgefeuerte Raketen in Stücke gerissen wurde. Bei einem zweiten Angriff seien dann die Kinder verletzt worden.

Wie begründet Amnesty, dass es sich um Verstöße gegen das Völkerrecht handelt?

Nach Einschätzung von Amnesty International können Drohnenangriffe laut internationalen Gesetzen durchaus rechtens sein. Legitime Ziele seien aber ausschließlich Individuen, die sich direkt an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligen. Die bloße Mitgliedschaft in einer bewaffneten Gruppe rechtfertige somit noch keinen Drohnenschlag. Die Menschenrechtsorganisation wirft außerdem die Frage auf, warum die USA bei Attacken mit unbemannten bewaffneten Flugkörpern offenbar immer wieder in Kauf nehmen, dass unschuldige Zivilisten dabei getötet werden. Besonders kritisch sieht Amnesty dabei Drohnenangriffe, die sich innerhalb von kurzen Abständen gegen ein und dasselbe Ziel richten und dabei Menschen treffen, die etwa Verwundeten des ersten Schlags zu Hilfe eilen wollen. „Verletzte und Menschen anzugreifen, die sich außerhalb der Kampfzone befinden, ist nach internationalem humanitären Völkerrecht verboten“, heißt es dazu in dem Bericht. „Medizinisches Personal und Ersthelfer müssen geschützt werden.“ Zudem seien die vielen Drohnenangriffen zugrunde liegenden „Signature Strikes“ völkerrechtswidrig, kritisiert AI. Bei derartigen Angriffen ist die Identität von Zielen nicht eindeutig geklärt. Den USA genügt es, dass die Aktivitäten des vermeintlichen Gegners vom Himmel aus betrachtet zu einem Muster passen, das als verdächtig eingeschätzt wird.

Wie rechtfertigen die USA die Drohnenangriffe?

Die USA gehen davon aus, dass sich das Land in einem bewaffneten Konflikt mit Terrororganisationen wie Al Qaida oder militanten Gruppen wie den Taliban befindet. Nach internationalem Recht sei es daher gestattet, gegen Kriegsgegner vorzugehen – auch mit Drohnen. Dabei halten die USA diese Vorgehensweise selbst dann für angebracht, wenn es sich bei Terrorverdächtigen um amerikanische Staatsbürger handelt.

Welche Rolle spielt Deutschland dabei?

Neben Pakistan sind laut Amnesty auch Länder wie Australien, Deutschland und Großbritannien am Drohnenkrieg der USA beteiligt – unter anderem durch die Weitergabe von geheimdienstlichen Informationen. Die Bundesregierung habe dem US-Geheimdienst CIA sogar Daten wie Handynummern von späteren Drohnen-Opfern geliefert, kritisierte Amnesty. Der Bundesnachrichtendienst wollte zu den Vorwürfen keine Stellungnahme abgeben. Laut der Antwort auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Jan van Aken (Linke) an die Bundesregierung hat Deutschland zwischen 2009 und 2013 die Ausfuhr von verschiedenen Bauteilen genehmigt, die zum Einbau in US-Kampfdrohnen bestimmt sind. Darunter waren unter anderem Propeller, Flugmotoren sowie Hydraulikpumpen.

Der pakistanische Botschafter in Deutschland, Abdul Basit, hält Drohnenangriffe für kein probates Mittel im Kampf gegen Terroristen. Gegen sie spreche die Bilanz der vergangenen Jahre. Laut Basit sind lediglich 20 bis 25 Al-Qaida-Kämpfer durch Drohnen getötet worden. Dagegen seien rund 700 Mitglieder der Terrororganisation von pakistanischen Behörden vor allem an die USA übergeben worden, sagte Basit dem Tagesspiegel. Mit Blick auf die Rolle Deutschlands bei den internationalen Bemühungen um eine dauerhafte Friedenslösung für das benachbarte Afghanistan sagte Basit, er habe seine deutschen Gesprächspartner aufgefordert, die US-Regierung zu einer Wiederaufnahme der Gespräche mit den Taliban in Katars Hauptstadt Doha zu bewegen. Während die Bundesregierung Verhandlungen mit den Radikalislamisten unterstütze, sei die Politik der US-Regierung in diesem Punkt „konfus“, kritisierte er.

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