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Quarterback Colin Kaepernick von den San Francisco 49ers erhält nach seiner Aktion viele Hasskommentare, aber auch Zuspruch.

© Stephen Lam/Reuters

US-Football-Star boykottiert Nationalhymne: Ein Sitzstreik wird zum Politikum

US-Football-Profi Colin Kaepernick wollte ein Zeichen gegen Rassismus in seinem Land setzen: Während die Nationalhymne gespielt wurde, blieb er sitzen. Die Reaktionen sind heftig.

Für die einen ist Colin Kaepernick ein Held, für die anderen ein Schurke. Der 28-jährige ist als Quarterback der San Francisco 49ers ein hochbezahlter Profi des American Football – aber auch ein politischer Aktivist, wie sich jetzt herausstellt. Vor einem Testspiel seiner Mannschaft vergangene Woche weigerte sich Kaepernick, beim traditionellen Absingen der Nationalhymne aufzustehen.

Er versteht den Sitzstreik als Protest gegen den Rassismus in seinem Land, doch bei Nationalisten gilt Kaepernick jetzt als Vaterlandsverräter. Wie nicht anders zu erwarten, setzt sich der Populist Donald Trump an die Spitze der Kaepernick-Gegner: Der Sportler solle sich gefälligst ein anderes Land suchen, sagte Trump.

Wenn Kaepernick unter den vielen Hasskommentaren im Internet und den von einigen Fans zelebrierten Trikot-Verbrennungen leidet, dann zeigt er es nicht. Schon bei einem früheren Spiel sei er während der Hymne auf seinem Platz geblieben, nur habe es niemand bemerkt, sagte er.

Kaepernick will seinen Sitzstreik an diesem Donnerstag bei einem weiteren Vorbereitungsspiel fortsetzen; am 12. September haben die 49ers ihr erstes Saisonspiel. Der Verband NFL erklärte, es sei keine Pflicht, bei der Hymne aufzustehen, auch wenn es den Spielern empfohlen werde.

Er wolle nicht eine Hymne ehren, die Freiheit und Gleichheit verspreche, dieses Versprechen aber nicht für alle Menschen im Land halte, sagte Kaepernick. Dasselbe gelte für die Flagge eines Landes, „das Schwarze unterdrückt“. Mit Blick auf den Tod von Afro-Amerikanern durch Polizeigewalt fügte er hinzu. „Da liegen Leichen auf der Straße, und es gibt Leute, die haben bezahlten Urlaub und können sich alles erlauben.“ Bei der Hymne aufstehen wolle er erst wieder nach einem „Wandel“ in der Gesellschaft.

Der Football-Spieler, der als Sohn einer weißen Mutter und eines schwarzen Vaters bei Adoptiveltern aufwuchs, widmete seine Aktion „den Leuten, die keine Stimme haben“. Im selben Atemzug wurde er gleich noch ein paar kritische Kommentare über die Präsidentschaftskandidaten Trump und Hillay Clinton los. Beide gehörten zu den Problemen Amerikas: Kaepernick erinnerte daran, dass Clinton schwarze Jugendliche einmal „Raubtiere ohne Gewissen“ genannt hat. Trump sei sowieso „ganz offen ein Rassist“.

Vor zwei Jahren hatten Profis mit erhobenen Händen das Spielfeld betreten

Bereits vor zwei Jahren hatten American Football-Profis mit einer Solidaritätsaktion für afro-amerikanische Polizeiopfer Aufsehen erregt. Schwarze Spieler der St. Louis Rams betraten damals mit erhobenen Händen das Spielfeld. Sie erinnerten damit an Michael Brown, einen Teenager, der wenige Monate zuvor in Ferguson, einem Vorort von St. Louis, von der Polizei erschossen worden war. Browns Tod löste heftige Proteste gegen die Polizei aus, bei der die „Bitte nicht schießen“-Geste mit den erhobenen Händen häufig zu sehen war.

Damals wurden die Rams-Spieler unter anderem von einem Polizistenverband scharf kritisiert, bei Kaepernick reagierte diesmal sogar das Weiße Haus. Der Sportler habe jedes Recht, seine Meinung kundzutun, sagte Präsidentensprecher Josh Earnest. Allerdings betonte Earnest, er selbst schließe sich Kaepernicks Ansichten über den Zustand der amerikanischen Gesellschaft nicht an.

Andere formulieren wesentlich direkter. Rennfahrer Tony Stewart schrieb auf Twitter, Kaepernick solle sein „saudummes Maul“ halten, weil er keine Ahnung davon habe, was Polizisten jeden Tag durchmachten. Donald Trump warf Kaepernick vor, „eine schreckliche Sache“ verbrochen zu haben. „Vielleicht sollte er sich ein Land suchen, wo es ihm besser geht“, doch das werde er wohl nicht finden.

Auch unter Kaepernicks Kollegen wird diskutiert. Rashad Jennings, ein afro-amerikanischer Spieler bei den New York Giants und ein Anhänger der Protestbewegung „Black Lives Matter“, äußerte Verständnis für Kaepernick’s Haltung. Doch er selbst will weiter bei der Hymne aufstehen, wie Jennings der „New York Daily News“ sagte: Anders als Kaepernicks sei er ein „Optimist“.

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