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Politik: US-Gegenschlag: Zwei Sichten der Gerechtigkeit. Nach Protesten soll der Gegenschlag nicht mehr Infinite Justice heißen

Worte können töten und verletzen. Besonders Begriffe für Militäraktionen können explosiv sein und unerwünschte Folgen haben.

Worte können töten und verletzen. Besonders Begriffe für Militäraktionen können explosiv sein und unerwünschte Folgen haben. Das erleben die USA jetzt wieder in ihrem "neuen Krieg" gegen den Terrorismus. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wird wahrscheinlich den Namen "Grenzenlose Gerechtigkeit" (Infinite Justice) für die geplante weltweite Operation gegen den Terrorismus aus dem Verkehr ziehen, um empörte islamische Gelehrte zu beschwichtigen - solche Gerechtigkeit sei bei Allah und nicht im Pentagon. "Ich verstehe, ich verstehe", sagte Rumsfeld und signalisierte das Aus für den "Arbeitstitel".

Nicht jedes Etikett einer militärischen Aktion hat Sinn, aber einen "Kriegsnamen" muss es geben, so will es der US-Brauch seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Früher stützten sich die Militärs nach Angaben von Kennern der Materie vornehmlich auf ein Buch mit Namen, die von der amerikanischen Geographie inspiriert wurden. Auf diese Weise kamen im Zweiten Weltkrieg Begriffe wie "Omaha Beach" und "Utah Beach" für Landungsplätze etwa in der Normandie zu Stande. Seit Mitte der siebziger Jahre leisten Datenbanken Formulierungshilfe. Der Computer "füttert" das jeweilige Oberkommando mit Vorschlägen. Die Bezeichnungen seiner Wahl gehen dann zur Endabnahme an den Generalstab und den Verteidigungsminister.

Waren die Begriffe zunächst ohne tiefere Bedeutung, so wurden sie später mehr und mehr zu einem Symbol für die Motive der Oberbefehlshaber oder des Präsidenten. Manchmal verniedlichten sie auch den Auftrag. Aus der "Operation Stampfer" (Operation Masher) wurde so im Vietnamkrieg die "Operation Weiße Schwinge" (Operation White Wing). Ronald Reagan schickte die Marineinfanteristen 1983 als Teil der Aktion "Brennender Zorn" (Urgent Fury) auf die Karibikinsel Grenada - der Zorn bezog sich auf den dort wachsenden kubanischen Einfluss.

Das Etikett wird im Antiterror-Feldzug nicht zum ersten Mal gewechselt. 1990/91 im Konflikt mit dem Irak und 1994 bei der Intervention in Haiti passten die Militärs es an veränderte Verhältnisse an.

Aus der "Operation Wüstenschild" (Desert Shield) wurde am Persischen Golf die "Operation Wüstensturm" (Desert Storm), als die alliierten Truppen zum Angriff übergingen. Es folgten, neben anderen, die "Operation Wüstendonner" (Desert Thunder) und die "Operation Wüstenfuchs" (Desert Fox).

Die Haiti-Aktion lief als "Operation zur Wiederherstellung der Demokratie" (Restore Democracy) an und wandelte sich später zur "Operation zur Wahrung der Demokratie" (Uphold Democracy), als das Militärregime in Port-au-Prince auf Widerstand verzichtete.

Herbert Winkler

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