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Politik: „US-Geheimtrupps spähen Iran aus“

Amerikanische Soldaten suchen nach möglichen Angriffszielen, berichtet die Zeitschrift „New Yorker“

Ein neuer Hersh ist da! Ein was? Seymour Hersh ist jener Reporter, der entscheidend dazu beitrug, den Folterskandal von Abu Ghraib aufzudecken. Außerdem hatte er, aber das ist mehr als drei Jahrzehnte her, das Massaker von US-Soldaten im vietnamesischen Ort My Lai enthüllt. Heute wird er, im Ausland freilich mehr als in den USA, wegen seiner investigativen Artikel verehrt, die er regelmäßig im Magazin „The New Yorker“ publiziert. Nun ist wieder einer erschienen. Er heißt „The Coming Wars“, die künftigen Kriege, und wurde perfekt in die Inaugurationswoche von Präsident George W. Bush platziert. Das steigert die Aufmerksamkeit noch.

Seit mindestens einem halben Jahr spähen geheime US-Kommandos mögliche Angriffsziele in Iran aus, schreibt Hersh. Darunter sind rund drei Dutzend chemische und nukleare Anlagen sowie Raketenbasen. Die Verantwortung dafür liege beim Pentagon. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld habe von Bush freie Hand im Kampf gegen den Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bekommen. Der Auslandsgeheimdienst CIA sei absichtlich nicht involviert worden. Über verdeckte CIA-Operationen im Ausland muss der Kongress unterrichtet werden. Das habe das Weiße Haus vermeiden wollen.

Hershs Artikel trifft einen blank liegenden Nerv. Bush zählt Iran zur „Achse des Bösen“. Anders als das Regime in Nordkorea können die Mullahs in Teheran an der Entwicklung der Atombombe noch gehindert werden. Das rückt das Land gewissermaßen automatisch ins Visier der US-Strategen. Wie weit gehen die Amerikaner? In vielen europäischen Hauptstädten ist man besorgt. Zum Teil gezielt gestreute Gerüchte über militärische Optionen treiben den Angstpegel regelmäßig für zwei, drei Tage nach oben. Dann fällt er regelmäßig wieder ab.

Ist Hershs Enthüllung spektakulär? Nicht wirklich. Die US-Regierung wird nicht tatenlos zusehen, wie Iran zur Nuklearmacht aufsteigt. So viel steht ohnehin fest. Ihr bevorzugtes Druckmittel ist die Diplomatie. Sollten alle Verhandlungen scheitern, hält sie sich die Möglichkeit gezielter Bombardements offen. Für einen Krieg wie im Irak indes, mit Bodentruppen und anschließender Besetzung, fehlen die Ressourcen. Zu dieser Analyse passt auch der Einsatz geheimer Kommandos, die im Irak versagt hatten. Saddams angebliche Massenvernichtungswaffen wurden nie gefunden.

Interessant ist „The Coming Wars“ dennoch. Detailliert beschreibt Hersh die heikle Zusammenarbeit zwischen Amerika und Pakistan in der Region. Erschreckend deutlich wird auch der desolate Zustand, in dem sich die CIA befindet. Aufschlussreich sind außerdem seine Ausführungen über die angeblich weiterhin maßgebliche Rolle Rumsfelds in der Regierung. Allerdings muss Hersh in dieser Frage als befangen gelten. Er hasst den Verteidigungsminister.

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