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Politik: US-Präsidentschaftswahlen: Außenseiter bestimmen Spitzenreiter

Nach den "Conventions" im August führte Al Gore. Warum, wusste niemand so richtig.

Nach den "Conventions" im August führte Al Gore. Warum, wusste niemand so richtig. Nun, nach den drei Debatten der US-Präsidentschaftskandidaten, liegt George W. Bush vorn - laut CNN-Umfrage mit landesweit elf Prozentpunkten Vorsprung. Erneut sind die Gründe niemandem so richtig klar. Nur eines ist sicher: Die beiden letzten Wochen im Zweikampf um das Weiße Haus werden erheblich von Personen bestimmt werden, die garantiert nicht ins Anwesen in der Pennsylvania Avenue einziehen werden.

Am 7. November wird der Nachfolger von Bill Clinton gewählt. Dabei entscheidet sich die Wahl in den 50 Bundesstaaten. In jedem Staat werden an den lokalen Gewinner Wahlmännerstimmen vergeben, die der Bevölkerungszahl entsprechen. Die Wahlmänner sind es, die offiziell den Clinton-Nachfolger küren - mit imperativem Mandat.

Nun ist in den vergangenen zwei Wochen für Al Gore Schockierendes passiert. Staaten wie Oregon und Washington an der Pazifikküste oder Minnesota und Wisconsin im nördlichen Mittelwesten sollten eine sichere Bank für die Kandidaten der Demokraten sein. Stattdessen sind sie nun plötzlich "in play": Bush kann sich Hoffnungen machen, weil der Grünen-Kandidat Ralph Nader bis zu zehn Prozent der Wähler mobilisiert: Studenten, Professoren, Bürgerrechtler, Aktivisten, Gewerkschafter. Genau jenes linksliberale Establishment, das Gore braucht, wendet sich Nader zu. Er ist der einzige Kandidat, der eine Bewegung ausgelöst hat. Viele seiner Anhänger wissen zwar, dass sie indirekt Bush zum Präsidenten küren könnten, wenn sie für Nader statt Gore stimmen, doch den meisten ist dies egal. "Bush und Gore stehen sowieso für dieselbe Politik zu Gunsten von Globalisierung und Big Business", meinte ein Wähler am Rande einer Nader-Veranstaltung.

Nun beginnt die öffentliche Debatte darüber, ob ein Mann Gore retten soll, der je nach Anschauung ein Trumpf, ein Ballast aus alten Zeiten oder ein zweischneidiges Schwert ist: Bill Clinton. Vor allem in demokratischen Hochburgen und bei Minderheiten könnte er das Ruder noch herumreißen. Doch am Wochenende hat Gore in seiner "Air Force Two" erneut betont: "Dieser Wahlkampf ist einer, den ich führe und allein nach meinen Vorstellungen gestalte." Details über Clintons Auftritte seien "noch völlig offen", beharrte Gore.

Eine kurzfristig anberaumte Krisensitzung im Weißen Haus zur Krise im Nahen Osten war das erste Treffen zwischen Clinton und Gore überhaupt seit der "Convention" im August. Seit Anfang des Jahres versucht Gore, seinem Mentor zu entfliehen. Er ruft ihn nicht an, er bittet ihn nicht um Hilfe. Gore versucht sogar zu verhindern, dass die amerikanischen Medien Fotos der Zusammenkunft im Weißen Haus bekommen, die Clinton und Gore an einem Tisch sitzend zeigen.

Dies ist die Zwickmühle für die Demokraten. Mobilisieren sie den begnadeten Wahlkämpfer Clinton, wird aus dem mühsam freigeschwommenen Gore wieder der Vize. Die Republikaner würden mit Lust ein "ticket" Gore/Clinton angreifen, von Gore/Lieberman bliebe nichts übrig. Clinton selbst weiß um die Probleme, die eine sichtbarere Rolle mit sich brächte. Persönlich, so verraten Freunde aus seinem inneren Zirkel, ist er über Gores angebliche Undankbarkeit jedoch tief enttäuscht.

Gore und Bush haben in den Fernsehdebatten grobe Patzer vermieden. Jetzt geht es nicht mehr ums Image, jetzt müssen die Wähler mobilisiert werden. Organisationskraft wird zur wichtigsten Tugend auf der Zielgeraden. Wie die Wahl in genau zwei Wochen letztlich ausgeht, wird jedoch entscheidend von Nader und Clinton abhängen. Die vermeintlichen Hauptpersonen sehen dem mit Bangen entgegen.

Dass sich die Matadoren des Wahlkampfes diesmal mit der Profilierung schwer tun, wird auch auf dem Nebenschauplatz New York deutlich. Im Duell um den Senatorensitz in der Metropole zwischen Hillary Clinton und Rick Lazio fehlt beiden Kandidaten das Sprachrohr Medien. In New York dominiert das Baseball-Finale. Erstmals seit 44 Jahren treffen die beiden Mannschaften aus New York City in den Spielen, die kühn "Weltmeisterschaft" heißen, aufeinander. Dies hilft Hillary. Lazio, der Unbekanntere, kann tun, was er will: Die Zeitungen haben für ihn keinen Platz. Die Boulevardblätter druckten am Sonntag die Schlagzeile "Bürgerkrieg". Gemeint war damit aber weder der Nahe Osten noch der Zweikampf um den Senat. Gemeint war das Baseball-Spiel der Yankees gegen die Mets.

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