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US-Raketenabwehrsystem: Polen und Tschechien sind einverstanden

Ungeachtet internationaler Kritik sind Polen und Tschechien grundsätzlich zur Stationierung von Teilen des geplanten US-Abwehrraketensystems in ihren Ländern bereit.

Warschau/Prag - Beide Regierungen würden die jüngste Anfrage aus Washington vermutlich positiv beantworten, sagte der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek in Warschau nach einem Treffen mit seinem polnischen Kollegen Jaroslaw Kaczynski. Bisherige Planungen sehen in Tschechien eine US-Radarstation und in Polen ein Silo mit etwa zehn US-Raketen vor. Das Projekt des Pentagon wird besonders von Russland scharf kritisiert.

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte im "Handelsblatt" sein Missfallen geäußert, dass Russland nicht intensiver in die US-Pläne einbezogen worden sei. Dazu sagte Topolanek in Warschau, die Kritik von Steinmeier gehe ins Leere: "Es ist sehr naiv, anzunehmen, dass die USA nicht bereits mit Russland über dieses Vorhaben gesprochen haben." Topolanek kündigte "verstärkte Gespräche" mit Moskau und vor allem auch mit Deutschland an. Forderungen von Bürgerinitiativen nach einer Volksbefragung werde man vermutlich weder in Tschechien, noch in Polen nachgeben, sagte er. Referenden seien in einer solchen Frage "ungeeignet".

Kaczinsky: "Normale Länder" haben nichts zu befürchten

Kaczynski sagte, das geplante System richte sich nicht gegen "normale" Länder. Vielmehr gehe es um Länder, "die die Regeln der modernen Welt nicht befolgen wollen", sagte Polens Regierungschef. Befürchtungen, das Projekt könne die "Ordnung in Europa" verändern, nannte Kaczynski ein "Missverständnis". "Wir werden die Russen überzeugen, dass sich diese Stationierung in keiner Weise gegen sie richtet", sagte der Ministerpräsident weiter.

Topolanek und Kaczynski hatten sich auch in einem gemeinsamen Artikel für tschechische und polnische Zeitungen für das US-Projekt ausgesprochen. Das Abwehrraketensystem biete allen Ländern der transatlantischen Gemeinschaften passiven Schutz, betonten die beiden Regierungschefs darin. Es wäre die erste derartige Basis außerhalb der USA, wo es Stützpunkte in Kalifornien und Alaska gibt. Ziel des Systems ist laut Washington vor allem die Abwehr iranischer und nordkoreanischer Interkontinental-Raketen.

Auch bei westlichen Sicherheitsexperten stoßen die US-Pläne auf Ablehnung. Die von Wladimir Putin geäußerte heftige Kritik an dem Raketensystem sei nachvollziehbar, sagte der Direktor des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS), Ottfried Nassauer. "Die Amerikaner hätten die Russen konsultieren müssen", weil sie damit indirekt ihr Versprechen aufkündigten, keine strategischen Rüstungseinrichtungen näher an den Grenzen Russlands zu stationieren, argumentierte Nassauer.

Auch Gorbatschow kritisiert die USA

Der Sicherheitsexperte kritisierte Überlegungen auf deutscher Seite, sich an dem Projekt zu beteiligen. Der geplante Raketenschild habe "ausschließlich die Funktion", Interkontinentalraketen abzufangen und "amerikanisches Territorium zu schützen". "Eine Beteiligung der Nato an diesem Projekt macht keinen Sinn", betonte Nassauer, weil die USA im Ernstfall allein über den Abschuss entscheiden würden.

Auch der SPD-Abrüstungsexperte Rolf Mützenich kritisierte das geplante US-Raketenabwehrsystem in Osteuropa. Die Partnerschaft zwischen Nato und Russland müsse weiterhin kooperativ sein. Die Frage eines Raketenabwehrschirms in Osteuropa sollte deshalb sowohl im Nato- wie auch im Nato-Russland-Rat diskutiert werden. Es müsse auf jeden Fall verhindert werden, dass es in Europa zu neuen "Rüstungsschüben" komme, die sich bereits abzeichneten, warnte der SPD-Politiker.

Der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow schloss sich derweil Putins USA-Kritik an. Es sei "dringend nötig, dass die Supermacht eine politische Kurskorrektur vornimmt", sagte er dem Magazin "Cicero". Gorbatschow kritisierte: "Die Überheblichkeit, welche oft mit militärischer Macht einhergeht, hat zu einer schweren Krise geführt." Der Anspruch Washingtons auf die alleinige globale Führungsrolle habe keine überzeugenden Antworten auf die ökologische Krise und das Problem der Armut in der Welt hervorgebracht. Eine nie da gewesene Zahl von internationalen Terroranschlägen sowie die Ausbreitung ethnischer und religiöser Konflikte seien "beunruhigende Anzeichen von Katastrophen", die noch bevorstünden. Außerdem habe die Ausweitung der Nato zu einem neuen Wettrüsten geführt. (tso/dpa/ddp)

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