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US-Vorwahlen: Demoskopen liegen oft daneben

Warum sich die US-Meinungsforscher schwer tun mit Prognosen über Barack Obama und Hillary Clinton. Es gibt keine verlässlichen Daten, wie unterschiedliche Gesellschaftsgruppen auf eine aussichtsreiche Frau oder einen aussichtsreichen Afroamerikaner reagieren.

Berlin - Zum zweiten Mal haben sich die Demoskopen mit ihren Prognosen für eine US-Vorwahl geirrt. Bei der Abstimmung über den Wunschkandidaten der Demokraten am Wochenende in South Carolina hatten sie zwar richtig vorhergesagt, dass der schwarze Senator Barack Obama Hillary Clinton besiegen würde. Aber seinen triumphalen Vorsprung hatten sie nicht erwartet. In den Umfragen vor der Wahl hatten sie 39 Prozent für ihn und 24 Prozent für sie ermittelt. Im Ergebnis deklassierte er sie mit 55 zu 27 Prozent.

Knapp drei Wochen zuvor hatten die Meinungsforscher in New Hampshire ähnlich daneben gelegen. Dort hatten sie Obama freilich nicht unterschätzt wie jetzt in South Carolina, sondern überschätzt. Nach seinem überraschend deutlichen Auftaktsieg in Iowa fünf Tage zuvor sagten fast alle Institute einen erneuten Erfolg über Clinton voraus, mit bis zu 13 Prozent Vorsprung. Tatsächlich gewann sie mit 39 zu 36 Prozent.

Wie kommt es zu so krassen Irrtümern der Demoskopen? Wenn die Forschungsinstitute ihre Umfragen veröffentlichen, sind das nie die nackten Daten, die sie bei ihren Telefoninterviews mit einer repräsentativen Gruppe von Bürgern gesammelt haben. Sondern diese Datenmenge wird um Erfahrungswerte korrigiert, um überschießende spontane Gefühle oder Meinungen, die am Wahltag bereits wieder abgeflaut sein können, auszugleichen. Je besser die Meinungsforscher eine bestimmte Wählergruppe und ihr Verhalten in gewissen Konstellationen kennen, desto verlässlicher ihre Prognosen.

Das Wahljahr 2008 ist jedoch untypisch in der Abfolge der Präsidentschaftsrennen in den USA. Dies gilt besonders für die Demokraten, bei denen erstmals eine Frau und erstmals ein Schwarzer die Favoriten sind. Die Meinungsforscher haben keine verlässlichen Daten, wie unterschiedliche Gesellschaftsgruppen auf eine aussichtsreiche Frau wie Hillary Clinton oder einen aussichtsreichen Afroamerikaner wie Barack Obama reagieren. In den ersten ein, zwei Tagen nach Clintons Überraschungserfolg in New Hampshire gegen die Vorwahl-Umfragen wurde der Irrtum der Demoskopen mit ihrem „Tränen-Moment“ am Tag vor der Abstimmung in einem Café in Portsmouth erklärt. Hillary, die als kalt und überehrgeizig gilt, habe dort endlich mal richtige Gefühle gezeigt – und so Sympathien geweckt, die die Meinungsforscher nicht mehr rechtzeitig messen und in ihre Prognosen einarbeiten konnten.

Doch nach drei, vier Tagen Analyse folgte eine andere Erklärung: Die Demoskopen hatten die Rassevorbehalte weißer Arbeiter gegen einen schwarzen Kandidaten unterschätzt. Sie stimmten in höherer Zahl als angenommen für die weiße Bewerberin Clinton. In den USA klagten die Meinungsforscher, dass sie zu wenig Daten über die Einstellung der weißen Unterschicht zur Rassenfrage haben, um die nötigen Korrekturen am Rohmaterial der Umfragen vorzunehmen.

In South Carolina unterschätzten die Demoskopen die Wahlbeteiligung Schwarzer und ihre Begeisterung für einen dunkelhäutigen Kandidaten mit Siegeschancen. Auch da konnten die Institute nicht auf verlässliche Erfahrungswerte zurückgreifen, da noch nie ein aussichtsreicher Afroamerikaner als Präsidentschaftsbewerber zur Wahl stand. Es gingen weit mehr Schwarze zur Wahl als erwartet, und sie stimmten zu 80 Prozent für Obama. Eine Lehre aus den beiden Irrtümern der Demoskopen: Die Rassenfrage kann – jedenfalls in manchen Staaten – noch immer eine größere Rolle spielen, als Amerika sich eingestehen will. Zudem warnen die Meinungsforscher, dass sie die Bedeutung der Geschlechterrolle nicht überall zuverlässig vorhersagen können. In Iowa lagen Clinton und Obama gleichauf bei weiblichen Wählern, in New Hampshire lag sie klar vorn. In South Carolina, wo schwarze Frauen die größte Wählergruppe stellen, stimmten die zu 80 Prozent für den schwarzen Mann und gegen die weiße Frau. In den verbleibenden Vorwahlen in mehr als 40 Staaten wird es wohl noch zu einigen weiteren Prognosefehlern kommen.

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