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US-Vorwahlen: Hillary zeigt die Zähne

Nach dem Triumphzug von Barack Obama in gleich drei weiteren Bundesstaaten steht Hillary Clinton mit dem Rücken zur Wand. Experten warnen aber, die Senatorin abzuschreiben. Clinton macht unterdessen trotzig Wahlkampf und schweigt zu Konkurrent Obama.

Hillary Clinton erhält im texanischen El Paso Blumen von ihren Fans - wohl das Erfreulichste für sie an diesem Tag, an dem Barack Obama sie vom Spitzenreiter-Sockel stößt. Dass er nach vier Vorwahl-Erfolgen am vorigen Wochenende nun auch in Virginia und Maryland gewinnen würde, damit hat die ehemalige First Lady zwar gerechnet und ist daher auch schon zum nächsten Schlachtfeld gereist. Wie eine Bombe schlägt dann aber am Abend das Ausmaß von Obamas jüngstem Triumphzug ein. In beiden Staaten bis zu 30 Prozentpunkte Vorsprung für den 46-Jährigen, der noch vor sechs Wochen als krasser Außenseiter gegolten hatte - das sind "Prügel" für Hillary, wie die "Washington Post" schreibt. Eine Erwähnung wert sind Clinton die Siege des Konkurrenten bei ihrem Auftritt in El Paso trotzdem nicht.

Sorgen muss der New Yorker Senatorin vor allem bereiten, was sich hinter diesen Ergebnissen verbirgt: Erstmals gelingt es Obama, die Mehrheit fast aller Bevölkerungsgruppen zu gewinnen, die bisher als Clintons Bastion galten. Die Älteren, die Einkommensschwachen, Arbeiter, Gewerkschaftsmitglieder und allen voran die Frauen begingen in Virginia und Maryland Fahnenflucht. Auch bei den Latinos gewinnt Obama an Boden - und das ist genau die Gruppe, auf die Clinton bei der für sie nun noch wichtiger gewordenen Vorwahl am 4. März in Texas baut.

Waren diese Einbrüche eine Eintagsfliege oder signalisieren sie einen endgültigen Wendepunkt im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur zugunsten Obamas - darüber wagten Experten noch keine Prognosen. "Er (Obama) hat zweifellos seine Koalition verbreitert", zitierte die "Washington Post" die unabhängige Meinungsforscherin Celinda Lake. "Die Frage ist, ob es sich um eine Ausnahmeerscheinung handelt oder um ein größeres Phänomen, denn es verändert definitiv die Landschaft."

"Alles ist jetzt möglich"

Einig waren sich indessen alle in einem Punkt: Hillary Clinton befindet sich in schwerer Bedrängnis, "alles ist jetzt möglich", beschrieb eine CNN-Kommentatorin die Lage. So galt es als zunehmend wahrscheinlich, dass die derzeitige Welle Obama auch am 19. Februar in Wisconsin und Hawaii zum Sieg trägt. Dann hätte er zehn Vorwahlen in Folge gewonnen, während Hillary Clinton seit dem "Super-Dienstag" vor gut einer Woche keine Siegesrede mehr halten konnte.

Auf der Hand liegt, dass die 60-jährige jetzt am 4. März unbedingt sowohl in Texas als auch in Ohio gewinnen muss - "sonst kann sie einpacken", sagte ein Kommentator des Senders Fox News. Nach Umfragen führt sie in beiden Staaten deutlich vor Obama, aber diese Erhebungen wurden vor ihrer jüngsten Schlappen-Serie durchgeführt. "Sie (Hillary) muss sich darauf einstellen, dass es in Texas und Ohio zumindest enger wird als erwartet - die Frage ist nur, wie eng", meint der demokratische Wahlkampfberater Tad Devine. Er warnt zugleich davor, Clinton praktisch schon vor dem Aus zu sehen. Ihr Wahlkampf sei ausgezeichnet organisiert und sie selbst äußerst "widerstandsfähig". Andere Analytiker stimmen zu: Clinton sei besonders schlagkräftig und gefährlich, wenn sie mit dem Rücken zur Wand kämpfen müsse, formulierte es ein demokratischer Wahlstratege.

Immer mehr Dampf

Aber zugleich wächst anscheinend auch in Clintons Lager die Sorge, dass sich die Ex-First-Lady gründlich verkalkuliert haben könnte, indem sie sich nach dem "Super-Dienstag" in ihrem Wahlkampf so stark auf Ohio und Texas konzentrierte. In den anderen Staaten wegen erwarteter Niederlagen fast untätig zu bleiben, "während Obama immer mehr an Dampf gewinnt, ist eine riskante Strategie für Clinton", zitiert die "Washington Post" einen Insider.

Auch die "New York Times" weist darauf hin, dass es angesichts der Tatsache, dass keiner der Bewerber bei den Delegiertenstimmen einen deutlichen Vorsprung erhalten wird, nun auf das "Erscheinungsbild" ankomme, darauf, wer am meisten als Sieger wirke. Und das sei zurzeit Obama. "Sein Zug hat eindeutig den Bahnhof verlassen", beschrieb es ein Rundfunkkommentator. Tatsächlich sollen einige der nicht an die Vorwahlergebnisse gebundenen Superdelegierten, die sich bereits für Clinton entschieden hatten, ins Schwanken gekommen sein, wie US-Zeitungen berichten. Und diese Delegierten könnten das Zünglein an der Waage sein.

Gabriele Chwallek[dpa]

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