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Politik: US-Wahl: Bush liegt vorn - vorläufig

Die USA bleiben vorerst weiter ohne neuen Präsidenten. Amerikas Demokraten sind nicht bereit, das Ergebnis der Nachzählung der Stimmen in Florida anzuerkennen.

Die USA bleiben vorerst weiter ohne neuen Präsidenten. Amerikas Demokraten sind nicht bereit, das Ergebnis der Nachzählung der Stimmen in Florida anzuerkennen. "Zehntausenden Bürgern ist das Wahlrecht vorenthalten worden, und dies muss vor Gericht geklärt werden", sagte Al Gores Wahlkampfchef Bill Daley. 19 000 Stimmzettel waren als ungültig gezählt worden, weil Bürger über die Anordnung der Namen verwirrt waren und zunächst fälschlicherweise für Pat Buchanan stimmten, dann für Gore. "Florida sollte an Gore gehen, und Gore sollte unser nächster Präsident werden", sagte Daley am Donnerstagnachmittag.

Die Nachzählung war nötig geworden, weil beide Kandidaten in der Wahlnacht im wahlentscheidenden Bundesstaat Florida praktisch gleichauf gelegen hatten. Nach dem Abschluss der Nachzählung in 46 der 67 Landkreisen führte der republikanische Kandidat George W. Bush am Donnerstagabend hauchdünn mit 793 Stimmen Vorsprung vor Gore. Ex-Außenminister Warren Christopher, der für Gore die Nachzählung beobachtet, sprach von "ernsten und verbreiteten Verfälschungen" des Ergebnisses. Daley stellte klar, dass von Al Gore kein Eingeständnis einer Niederlage zu erwarten sei, ehe "die rechtlichen Verfahren beendet sind".

Gores Gegenspieler Bush hielt sich derweil im Hintergrund. Seine Berater teilten mit, er erwarte die Ergebnisse der Nachzählung und bereite ein Übergangsteam oder Schatten-Kabinett für den Fall vor, dass er der nächste Präsident der Vereinigten Staaten werde. "Wir sind zuversichtlich, dass nach Abschluss der Nachzählung bestätigt werden wird, dass Bush Florida und damit die Präsidentschaft gewonnen hat", sagte Sprecher Scott McClellan.

In Florida protestierten am Donnerstag schwarze Amerikaner, die sich an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert sehen. Bürgerrechtler Jesse Jackson rief den Demonstranten zu: "Dies ist wie Jugoslawien. Erst geht ihr zur Wahl, dann werdet ihr entmündigt." Manche Berichte über Ungereimtheiten bei der Wahl erwiesen sich derweil als falsch. In einer Wahlurne, die verschlossen in einer Schule gefunden wurde, befanden sich Stifte und Malblöcke, keine Wahlzettel.

Dass nach der zunächst unentschiedenen Wahlnacht in den USA auch die Nachzählung der knappen Ergebnisse in Florida keine endgültige Klarheit bringen würde, liegt auch an dem Umstand, dass Briefwahl-Stimmen noch bis kommenden Freitag eingehen können. Gore sprach von "einer außergewöhnlichen Stunde in unserer Geschichte". Der Bundesstaat Florida ist wahlentscheidend, da an den Sieger 25 Wahlmännerstimmen vergeben werden. Die 538 "Elektoren" wählen am 18. Dezember den nächsten US-Präsidenten. Gore hat bislang 260, Bush 246 Wahlmänner hinter sich. Nach der ersten Zählung in Florida hatte Bush dort mit 1200 Stimmen Vorsprung gewonnen.

Gore-Sprecher Chris Lehane sagte: "Die Hälfte der Wahlmänner hat ein imperatives Mandat. Die andere Hälfte stimmt nach dem eigenen Gewissen ab. Dies ist die Verfassungswirklichkeit." Im Gore-Lager wird demnach überlegt, ob man mit dem Argument des demokratischen Sieges bei den Direktstimmen Druck auf republikanische Elektoren ausübt, für Gore zu stimmen. Von den 100 Millionen landesweit abgegebenen Stimmen hatte Gore 100 000 mehr als Bush errungen. Zuletzt siegte 1888 ein Kandidat im Wahlmännergremium, der bei den Direktstimmen unterlegen war.

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