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US-Wahl: Die Show zählt

Wer ein Handy hat, erfährt es zuerst. Heute stellt Obama seinen Kandidaten für den Vizepräsidenten vor - und sendet die Entscheidung per SMS an Millionen Amerikaner. In den Umfragen liegen der Demokrat Obama und der Republikaner McCain fast gleich auf.

Die Inszenierung scheint fast so wichtig zu sein wie die Entscheidung selbst: Seit Tagen baut Barack Obamas Wahlkampfteam die Spannung auf, wen er zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten macht und wann er es bekannt gibt. Auch das soll die Aufmerksamkeit auf ihn lenken – und vor allem weg von seinem republikanischen Gegner John McCain.

Irgendwann am heutigen Freitag, das gilt derzeit als wahrscheinlicher Ablauf, wird auf Millionen Handys in den USA eine SMS auftauchen mit dem Namen. Parallel werden Millionen E-Mails bei eingetragenen Obama-Unterstützern eingehen. Sie sollen es zuerst erfahren, hat er versprochen. Die einzige Bedingung war, dass sie sich mit einer Mobiltelefonnummer oder einer E-Mail-Adresse bei seiner Kampagne registrieren. So bekam er eine lange Liste weiterer Bürger, die er um eine Wahlkampfspende bitten kann.

Gemeinsamer Auftritt in Springfield geplant

Am Samstag soll er erstmals gemeinsam mit seinem Vizekandidaten öffentlich auftreten: In Springfield, der Hauptstadt seines Heimatstaats Illinois, wo er an einem eiskalten Februarmorgen 2007 auch seine Kandidatur erklärt hatte. Es ist zugleich die politische Heimat Abraham Lincolns, des Präsidenten, der die USA von der Sklaverei befreite.

Ein wichtiger Zusatzeffekt der Vorabbekanntgabe per SMS und E-Mail: Dies sind potenzielle Wähler, die sich mit herkömmlichen Mobilisierungsmethoden, die sich vor allem Festnetznummern stützen, nicht erreichen lassen. Man schätzt, dass eine zweistellige Millionenzahl junger oder besonders mobiler Menschen nur noch Handy und keinen Festnetzanschluss mehr hat. Sie sind zugleich eher Obama- als McCain-Wähler.

Obama und McCain liegen in den Umfragen fast gleichauf

McCain hat in den jüngsten Umfragen aufgeholt oder sogar überholt, vor allem dank der Krisen in Georgien und in Pakistan. In der Außenpolitik trauen die Amerikaner eher McCain (66 Prozent), Obama erhält da in der neuesten Erhebung von „New York Times“ und CBS 55 Prozent Zustimmung. Beim Topthema, der Lösung der Wirtschaftskrise, haben dagegen 65 Prozent Vertrauen in Obama, 54 Prozent in McCain.

In einer Umfrage für Zogby und Reuters führt McCain mit 46 zu 41 Prozent. In den Erhebungen von „New York Times“/CBS und von „Wall Street Journal“/NBC liegt Obama 45 zu 42 Prozent vorn. Im Schnitt aller Umfragen führt der Demokrat mit 45,3 zu 43,9 Prozent; das liegt im Bereich der Fehlerquote und bedeutet ein statistisches Patt. Auch bei der Projektion der Resultate in 50 Einzelstaaten und der Umrechnung in Wahlmänner ist Obamas Vorsprung geschrumpft. Diese Methode entspricht dem Wahlsystem der USA und ist realitätsnäher als die üblichen landesweiten Umfragen, wen die Wähler bevorzugen.

Spekulationen drehen sich um vier bis fünf Namen

Die Idealbeschreibung des Vize gleicht der eierlegenden Wollmilchsau: weißhaarig, erfahren, männlich wegen der traditionellen Arbeiterschaft, aber zugleich weiblich, um die Frauen anzuziehen; ein Kriegsheld, der aber auch lange Regierungserfahrung hat; links genug für die demokratische Basis und rechts genug, um Wechselwähler anzusprechen.

Die Spekulationen drehen sich um vier bis fünf Namen. Obama werde entweder einen jüngeren Mitte-rechts-Demokraten aus einem der „Battlefield States“ wählen, in denen sich die Wahl entscheidet: Tim Kaine, Gouverneur von Virginia, oder Evan Bayh, Senator von Indiana. Oder er wählt mit Blick auf die Weltlage einen erprobten Außen- und Sicherheitspolitiker wie Joe Biden, Senator von Delaware. Oder sogar den Republikaner Chuck Hagel, Senator von Nebraska. Von einer Frau ist dagegen kaum noch die Rede. Im Gespräch war Kathleen Sibelius, Gouverneurin von Kansas. Aber die Kombination aus erster Schwarzer plus erste Frau gilt dann doch als Überforderung der Durchschnittsamerikaner.

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