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Erinnerung an alte Zeiten: Ein Mann hält bei einer Wahlkampfveranstaltung ein Plakat mit Konterfei von Ronald Reagan.

© AFP

US-Wahl: Donald Trump - der neue Ronald Reagan?

Der Republikaner zieht ins Weiße Haus ein. Viele erinnert er schon an Reagan. Zu Recht. Da gibt es Ähnlichkeiten, aber auch gewichtige Unterschiede. Eine Analyse.

Rhetorischer Hardliner. Wird Donald Trump auch im Amt weiter den Demagogen geben? Oder wird er pragmatisch agieren, so wie vor mehr als 30 Jahren Ronald Reagan? Das hängt wohl nicht zuletzt von seinen Beratern ab. Das Entsetzen ist groß. Ein „Nichtswisser“ und Populist werde bald ins Weiße Haus einziehen, sagt ein Demokrat. Angst geht um, Bürgerrechtler befürchten, dass der Ku-Klux-Klan durch die Straßen marschieren wird. „Was können wir nur tun?“, fragt die Mitarbeiterin eines demokratischen Abgeordneten mit verheultem Gesicht, wie die „New York Times“ berichtet. Es ist der 5. November 1980. Ronald Reagan hat gerade die US-Präsidentschaftswahl gewonnen.

Fast genau 36 Jahre später stecken Teile von Amerika nach dem Sieg von Donald Trump über die hoch favorisierte Hillary Clinton in einem ähnlich tiefen Schock. Dass Trump bald an der Spitze ihres Staates stehen soll, will vielen nicht in den Kopf – sie fühlen sich ganz ähnlich wie ihre Landsleute nach der Wahl von Reagan. Dagegen feiern die Republikaner den Beginn einer neuen Ära. Der Blick auf 1980 kann hilfreich sein. Denn aus Parallelen zwischen Trump und Reagan ergeben sich Hinweise darauf, wie die Präsidentschaft des Immobilienmoguls aussehen könnte.

Die Ähnlichkeiten sind teilweise frappierend. Reagan war 69 Jahre alt, als er Präsident wurde, Trump ist 70. Reagan war der erste Präsident, der mindestens eine Ehescheidung hinter sich hatte, bevor er ins Oval Office einzog, Trump wird der zweite sein. Beide verdankten ihren Einzug ins Weiße Haus einer weit verbreiteten Wechselstimmung am Ende demokratischer Präsidentschaften. Dabei unterstützten sowohl Reagan als auch Trump zuerst die Demokraten und wandelten sich erst später zu Republikanern. Beide waren den Amerikanern zu Beginn ihrer Präsidentschaft vor allem aus dem Showgeschäft bekannt. Beide präsentierten sich im Wahlkampf als Kämpfer gegen das Establishment in Washington. Die Präsidentschaftsbewerbungen beider Politiker wurden erst als chancenlos belächelt; dann wurde beiden vorgeworfen, ihre Partei in den Abgrund zu führen.

Auch die Zusammensetzung ihrer Anhängerschaft ähnelt sich

In einigen politischen Inhalten liegen sie ebenfalls eng beieinander. Steuersenkungen im Innern und Härte gegen Gegner der USA im Ausland gehören zu ihren wichtigsten Programmpunkten. Gegen beide wird der Vorwurf erhoben, sie begegneten komplexen Problemen mit simplen Antworten. Anhänger beider Politiker schwärmen für ihre Gabe, mit einer schnörkellosen Sprache so zu reden, dass Normalbürger sie verstehen.

Auch die Zusammensetzung ihrer Anhängerschaft ähnelt sich. Reagan verdankte seinen Wahlerfolg nicht nur den Konservativen, sondern auch einer Wählerschicht, die den Namen „Reagan-Demokraten“ erhielt: Arbeiterfamilien aus traditionellen Hochburgen der Demokraten wie den Gegenden um die großen Autofabriken in Detroit, die sich aus Enttäuschung über ihre Partei den Republikanern zuwandten. Diese entfremdeten demokratischen Stammwähler mögen Kandidaten, die Jobs versprechen und das Thema der nationalen Sicherheit großschreiben. Aber sie werden misstrauisch, wenn sich eine Partei aus ihrer Sicht zu viel um Minderheiten, Einwanderer und Frauenrechte kümmert. Trump habe es geschafft, die „Reagan-Demokraten“ für sich zu gewinnen, sagte der Kommentator Charles Krauthammer nach der Wahl vom Dienstag. Hillary Clinton wird vorgeworfen, die Bundesstaaten der „Reagan-Demokraten“ wie Michigan im Wahlkampf vernachlässigt zu haben. Am Dienstag fiel Michigan an Trump.

Man sollte nicht erwarten dass es nach Wahlen wie dieser in den USA einen großen Knall gibt und ein sofort sichtbarer Schaden da ist. So etwas verläuft deutlich langsamer, und die Resultate sieht man erst nach Jahren, teilweise nach Jahrzehnten.

schreibt NutzerIn hermann.the.german

Der designierte Präsident ist sich bewusst, dass der 2004 gestorbene Reagan bis heute einer der populärsten amerikanischen Politiker ist. Bei seinen Wahlkundgebungen pries Trump seine geplante Steuerreform mit den Worten an, Amerika stehe vor den größten Steuersenkungen seit der Reagan-Ära. Doch nicht alle sind einverstanden damit, dass sich Trump in die Rolle des Reagan-Erben wirft. Reagans Familie etwa protestiert heftig gegen die Vergleiche. Unter anderem werden drastische Unterschiede in den Kernbotschaften beider Politiker angeprangert: Sein Vater habe niemals schlecht oder beleidigend über jemanden gesprochen, sagte Reagans Sohn Michael in einem Fernsehinterview in Anspielung auf Trumps Brachial-Kurs im Wahlkampf. Beide in einem Atemzug zu nennen, sei eine Beleidigung.

Tatsächlich stellte Reagan die Hoffnung und den Optimismus in den Mittelpunkt seiner Rhetorik, während Trump in den vergangenen Monaten das Bild eines Landes am Abgrund malte, regiert von einer korrupten Elite und verlacht von seinen Feinden in aller Welt. Abgesehen davon muss sich Trump vorwerfen lassen, mit der Horrorvision vom Krisenland Amerika in Zeiten sinkender Arbeitslosigkeit und steigender Einkommen eine dicke Lüge aufgetischt zu haben.

Anders als Trump wäre es Reagan wohl auch nie in den Sinn gekommen, das Thema der illegalen Einwanderung mit einer Grenzmauer regeln zu wollen, im Gegenteil. Im Jahr 1986 unterzeichnete Reagan eine Amnestie, mit der rund drei Millionen illegale Immigranten ein Aufenthaltsrecht erhielten – für Trump ist der Begriff der „Amnestie“ in diesem Zusammenhang ein Schimpfwort.

Flexibilität statt ideologischer Starre war ein Grundmotiv

Schon bald dürfte sich zeigen, wie sehr Trump in seiner Präsidentschaft jene Reagan’schen Charakterzüge übernehmen wird, die den Kalten Krieger der 80er Jahre zum erfolgreichen Staatsoberhaupt machten. Wie Reagan vor ihm ist Trump weniger stark ideologisch festgelegt als seine Wählerbasis – die Frage ist, ob er weiter den rechten Demagogen gibt, oder ob er pragmatisch agiert, wie Reagan es tat. Von Trump ist bekannt, dass er etwa in der Frage der Rechte von Homosexuellen und Transsexuellen wesentlich liberaler ist als seine Wähler. Ron Kaufman, ein ehemaliger Berater des früheren republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, sieht in dieser Distanz zwischen Trump und dessen Anhängerschaft eine wichtige Parallele zu Reagan. Der bei den Rechten legendäre Präsident sei eher ein Populist als ein Konservativer gewesen, sagte Kaufman dem Magazin „Politico“. Flexibilität statt ideologischer Starre war ein Grundmotiv.

Schon wenige Wochen nach Reagans Amtsübernahme 1981 wurden in der rechtskonservativen Ecke erste Klagen darüber laut, dass Berater den neuen Mann im Oval Office nicht auf dem Pfad der reinen Lehre hielten, sondern viel zu sehr in die politische Mitte driften ließen. „Lasst Reagan Reagan sein“, hieß es damals, wie Troy berichtet. Der Präsident ließ die Kritik an sich abperlen. Es gebe immer Leute, die es am liebsten sähen, wenn man vor lauter ideologischem Eifer „mit der Fahne in den Abgrund springt“, statt Kompromisse zu schließen, sagte Reagan einmal.

Deshalb richten sich nun die Blicke auf die ersten Personalentscheidungen des designierten Präsidenten Trump. An ihnen wird sich ablesen lassen, in welche politische Richtung die Reise gehen soll. Der Autor Mollaney erwähnt in diesem Zusammenhang den bisherigen Wahlkampfchef Trumps, Steve Bannon. Sollte dieser, ein unbarmherziger Feind der Liberalen, eine führende Position in der neuen Administration erhalten, sei das ein Zeichen für eine ideologische Kampfhaltung der Regierung Trump. Auch dessen Antwort auf die Frage, welchen Kandidaten er für einen derzeit vakanten Posten am Verfassungsgericht auswählt, wird eine frühe Richtungsentscheidung sein. Reagan berief zwar konservative Richter, doch bildeten diese keineswegs einen ideologischen Block.

Möglichkeiten für Mäßigung ergeben sich für Trump auch bei den radikaleren Forderungen seines Wahlprogramms, deren vollständige Umsetzung auf einen realitätsfernen Isolationismus hinauslaufen würden. Ein Beispiel ist sein Ruf nach einem völligen Einreiseverbot für Muslime. Während des Wahlkampfes hatte sich Trump vorsichtig von dieser extremen Position distanziert, doch es ist offen, ob er sie völlig fallen lässt.

In der zentralen Frage der Gesundheitspolitik deutet Trump bereits eine Abkehr von seinen Wahlkampfforderungen an. So kündigte er an, einige Teile der bei Konservativen verhassten Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama in Kraft zu lassen – vor dem Wahltag hatte er die sofortige und völlige Abschaffung der Reform versprochen.

Auch Reagan ignorierte viele seiner Wahlkampfpositionen, sobald er im Amt war – und hatte trotzdem Erfolg. Als Präsident, der über jeden Verdacht der Sympathie mit linken oder sozialistischen Gedanken erhaben war, besaß er in seiner zweiten Amtszeit sogar die Glaubwürdigkeit, mit dem damaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow über die nukleare Abrüstung zu reden und das Ende des Kalten Krieges einzuleiten.

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