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Hillary

© AFP

US-Wahl: Für Partei, Vaterland - und Barack

Hillary Clinton hält die vielleicht wichtigste Rede des Demokratentreffens. In einer leidenschaftlichen Ansprache ruft sie die demokratische Partei zur ungeteilten Unterstützung des designierten Präsidentschaftskandidaten Barack Obama auf. Sie stellt die Weichen auf Einheit.

Die Unsicherheit dauerte vielleicht drei, vier Minuten. In welche Richtung würde der Abend kippen: Revolte oder Versöhnung? Drei, vier Minuten, die über die Zukunft der USA entscheiden. Hillary Clinton hatte es in der Hand, den Griff ihres Rivalen Barack Obama nach dem Weißen Haus zu torpedieren oder ihre verbitterten Anhänger zur Ordnung zu rufen - zur Einheit.

Das Schießpulver für den Barrikadensturm lag bereit, das hatten Gespräche mit Delegierten am Montag und Dienstag gezeigt. Der Nominierungsparteitag soll einen Schlussstrich unter den Wettstreit um die Kandidatur ziehen und den Sieger der Vorwahlen, Barack Obama, einvernehmlich zum Kandidaten der Demokraten ernennen. Aber sehr viele liefen in Denver weiter mit Hillary-Stickern herum. Sie teilen sich in drei Gruppen.

Da sind Frauen wie Ruth C. Rudy aus Centre Hall, Pennsylvania, die zum Einlenken bereit sind. Sie hat für Hillary gekämpft, sagt die 70-Jährige, weil die Gleichberechtigung ihr eigenes großes Lebensthema war. Aber Barack hat die Vorwahl gewonnen. Nun muss die Partei zusammenstehen, damit die Demokraten das Weiße Haus erobern. Sterne mit dem Aufruf "Unity!" schmücken ihren Hut.

Sie wollen für Hillary stimmen

Da sind die Enttäuschten wie Etta Walker aus Kansas. Sie hat es noch nicht verwunden, dass der erste aussichtsreiche Griff einer Frau nach der Macht in den USA so einfach scheitern soll. Sie sagt, sie habe in den Vorwahlen für Hillary gekämpft und sei von Bürgern zur Delegierten gewählt worden, die ebenfalls Hillary als Präsidentin sehen wollen. Da könne sie doch gar nicht anders, als hier in Denver für Hillary als Kandidatin zu stimmen. Gewiss, am Ende werde Barack Obama mehrheitlich nominiert - und dann werde sie bei der Hauptwahl im November auch für ihn stimmen. Auf die Frage, welchen öffentlichen Eindruck das denn machen werde, wenn eine namhafte Zahl von Delegierten für Hillary stimmt, Obama damit die Unterstützung verweigert und die Spaltung der Partei dokumentiert, zucken Ruth Rudy und Etta Walker mit den Schultern. Das sei zwar nicht vorteilhaft, aber diesen Preis müsse die Partei eben zahlen, um die Wunden zu heilen. Im November stehe man dann zusammen.

Da sind aber, drittens, noch die ganz Unversöhnlichen. Man erkennt sie an einem Button mit der Zahl 300. So viele Unterschriften standen auf dem ersten Begehren, eine offene Kampfabstimmung in Denver zuzulassen. Nach einer jüngsten Umfrage sind 27 Prozent der Clinton-Fans immer noch nicht bereit, überhaupt für Obama zu stimmen. Eher wollen sie McCain wählen oder sich enthalten. Und manche sagen ganz unverhohlen, Hillary solle 2012 wieder antreten. Und die Voraussetzung dafür sei, wenn Obama 2008 die Wahl gegen McCain verliere. Sie erwarten, dass Clinton seinen Erfolg sabotiert.

Tosender Beifall

Sie alle harren gespannt darauf, was ihre Heldin sagen wird. Sie ist die Hauptrednerin am Dienstag Abend - und schon die Inszenierung macht klar, dass Obama ihr zu dieser Stunde das Feld überlässt. Die Helfer verteilen weiße Tafeln mit ihrem Schriftzug. Ein Video zeigt Szenen aus ihrer Kindheit und ihren lebenslangen Kampf für die Benachteiligten. Dann führt Tochter Chelsea ihre Mutter ein - und für Minuten ist nicht mal klar auszumachen, ob Hillary schon auf der Bühne ist. So laut tost der Beifall tost und so vehement werden die Hillary-Schilder werden geschwenkt, dass es die Ohren verstopft und die Blicke versperrt.

Dieser Moment zeigt, was hätte sein können - zum ersten Mal eine Frau als Präsidentschaftskandidatin. Und wie viele die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben haben, dass es doch noch so kommt. Mehrfach muss Hillary ansetzen, bis sie sich Gehör verschafft. "Ich stehe heute Abend hier als stolze Mutter", beginnt sie mit dankbarem Blick auf Chelsea. "Als stolze Senatorin des Staates New York. Als stolze Amerikanerin." Dann erst folgt die erlösende Wendung: "Und als stolze Unterstützerin von Barack Obama."

"Es ist Zeit für Einheit"

Die rund 30-minütige Rede wird eine Variation der immer wiederkehrenden Forderung nach Versöhnung. "Egal, ob ihr für mich gestimmt habt oder für Barack, es ist Zeit für Einheit." Die Demokraten müssen das Weiße Haus zurückerobern, weil sich das Land nicht weitere vier Jahre unter der Bush-Kopie John McCain leisten könne. Und das sei nur möglich, wenn die Demokraten zusammenstehen. "Wir gehören dem selben Team an", beschreibt sie ihr Verhältnis zu Obama. "Barack ist mein Kandidat, und er muss mein Präsident werden."

Es wird eine große Rede, und sie lässt keine Zweifel und keine Ausreden zu. Hillary Clinton steht ohne Wenn und Aber hinter Barack Obama. Sie spricht, als sei sie befreit von einer Last: selbstbewusst, leidenschaftlich und humorvoll. "Ihr habt mir eure Herzen und eure Häuser geöffnet", dankt sie für die Begegnungen im Wahlkampf. "Ihr habt mich zum Lachen und ihr habt mich zum Weinen gebracht", spielt sie auf einen ungewöhnlich rührseligen Moment im Januar im "Cafe Espresso" in New Hampshire an.

Es ist die vielleicht wichtigste Rede des Parteitags. Sie stellt die Weichen auf Einheit. Die Delegierten sind gerührt, beeindruckt, begeistert. Fast beschwingt gehen sie nach Hause. In der weiten Arena bleibt Erleichterung zurück und Nostalgie.

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