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Der Sozialist Bernie Sanders nach seinem Sieg bei den Vorwahlen in New Hampshire. Er schlug Hillary Clinton mit 60 zu 38 Prozent.

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US-Wahlkampf: Die Schwachen könnten die Starken sein

Nach den Vorwahlen in New Hampshire werden die Karten neu gemischt. Bernie Sanders hängt Hillary Clinton ab und der abgeschlagene Jeb Bush ist bei den Republikanern wieder im Rennen. Eine Analyse.

Noch spannender als die Sieger der Vorwahl in New Hampshire sind die Kämpfe um die Plätze zwei bis vier bei den Republikanern. Denn sie entscheiden über den Fortgang des Rennens. Dabei sind schon die Sieger aufregend genug. Bei den Demokraten triumphiert der „Sozialist“ Bernie Sanders mit 60 zu 38 Prozent über Hillary Clinton. Bei den Republikanern erzielt Donald Trump mit 35 Prozent mehr als doppelt so viele Stimmen wie der Zweitplatzierte John Kasich und beweist, dass er seine Anhänger im Idealfall an die Wahlurnen bringen und sogar oberhalb seiner Umfragewerte abschneiden kann. Das war bei der ersten Vorwahl in Iowa noch anders gewesen.

Sanders entblößt Clintons Schwächen

Hillary Clinton hat nicht nur verloren, Sanders hat die Schwächen ihrer Kandidatur offen gelegt. Sie wirbt mit einer Botschaft, die viele Wähler der Demokraten nicht attraktiv finden: ihren Erfolgen in der Vergangenheit und ihrem Vorsprung an Regierungserfahrung. Sanders’ Versprechen einer gerechteren Gesellschaft ist hingegen zukunftsgerichtet. Sie sagt, man müsse im Auge behalten, was angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Kongress machbar sei. Das ist realpolitisch richtig, inspiriert aber nicht.

Charles Blow analysiert in der „New York Times“, sie fordere die Wähler auf, sich mit einem „halben Traum“ zufrieden zu geben. Deshalb hat Clinton ein doppeltes Problem: Sie kann nicht mal die weiblichen Wähler mehrheitlich gewinnen, obwohl sie doch die erste Präsidentin der USA werden will. Noch bedenklicher für sie ist die Generationenfrage: In jeder Altersgruppe unter 45 verliert sie deutlich gegen Sanders. Sie wird wohl in den nächsten Tagen ihre Botschaft und ihr Wahlkampfteam verändern.

Schneidet bei Frauen schlecht ab. Ex-Außenministerin Hillary Clinton.
Schneidet bei Frauen schlecht ab. Ex-Außenministerin Hillary Clinton.

© AFP

Trump poliert sein Sieger-Image

Für den Immobilienlöwen und telegenen Selbstdarsteller wäre nichts gefährlicher gewesen, als erneut hinter den Erwartungen zurückzubleiben. Er lebt vom Sieger- Image. Diesmal gewann er quer durch alle Wählergruppen. Republikaner, Nicht-Parteigebundene, selbst Demokraten stimmten für ihn. Die Hürden zur Teilnahme an der Wahl sind in New Hampshire niedriger als in Iowa. Das half.

Zwei Fragen bleiben. Trump verspricht, erstens, er werde „Amerika wieder groß machen“, sagt aber nicht, wie. Neben der Mauer nach Mexiko, der Aufrüstung des Militärs, damit es niemand mehr wage, sich mit den USA anzulegen, und dem Versprechen, günstigere Handelsverträge zu erzwingen, die die Jobs zurückbringen, lautet die Kernbotschaft: Ich, Trump. Mit mir werdet ihr siegen. Wahlniederlagen werden jedoch auf dem weiteren Weg nicht ausbleiben.

Trump wirkt nur deshalb so stark, weil sich die Stimmen der Wähler, die einen moderaten Konservativen wünschen, noch auf vier bis fünf Bewerber aufteilen. Zusammen genommen liegt ihr Anteil deutlich vor Trumps. Wie wird er abschneiden, wenn das Bewerberfeld allmählich ausdünnt und die moderaten Stimmen sich auf einen Rivalen konzentrieren? Zudem ist die Zahl der republikanischen Wähler, die ihn ablehnen (58 Prozent) größer als der Anteil seiner Fans (33 Prozent).

Positiver Wahlkampf nutzt John Kasich

Nur, wer wird dieser Moderate sein? John Kasich, der bodenständige Gouverneur von Ohio, hat nach seinem starken zweiten Platz mit 16 Prozent Rückenwind. Er gewann mit einer positiven Botschaft: Die Kandidaten sollen nicht schlecht übereinander reden. Mit gutem Willen sind Kompromisse zwischen den Lagern möglich. Er zeigte immer wieder menschliche Seiten, in der Begegnung mit Wählern und einer Schneeballschlacht zwischen Auftritten. Das kam in New Hampshire gut an. Seine Rhetorik und seine finanziellen Mittel sind freilich begrenzt. Kann er seine Botschaft so anpassen, dass er auch in den Südstaaten und im Westen mit ihren anderen politischen Kulturen Resonanz findet? Und reicht die Zeit, um seine Wahlkampforganisation mit den nun einfließenden Spenden bis zum „Super Tuesday“ am 1. März auf ein Dutzend Staaten auszuweiten?

Erst Favorit, dann Verlierer. Jeb Bush hat die Chance zum Wiederaufstieg.
Erst Favorit, dann Verlierer. Jeb Bush hat die Chance zum Wiederaufstieg.

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Jeb Bush ist zurück

US-Experten räumen Jeb Bush auf mittlere Sicht die besseren Chancen als Kasich ein. Die Massen kann er zwar nach wie vor nicht begeistern. Sein Auftreten wirkt etwas behäbig. Aber er spricht Wähler an, die einen traditionellen, konservativen Kurs wünschen. Mit elf Prozent in New Hampshire, mehr als doppelt so viel wie zuletzt in landesweiten Umfragen, hat er die Erwartungen übertroffen und ist zurück im Rennen. Nicht zahlenmäßig, aber psychologisch wichtig: Er landete vor Marco Rubio, dem aus seiner Sicht gefährlichsten Rivalen. Bush hat von allen Republikanern die breiteste Unterstützung von Gouverneuren und dem Parteiapparat in anderen Bundesstaaten. Das kann am Super Tuesday den Ausschlag geben. Doch schon zuvor, in South Carolina, wird sich zeigen, wer im Süden die größere Anziehungskraft hat. Bruder George W. wirbt dort für ihn. Im Süden ist der Ex-Präsident beliebt.

Marco Rubios Debattenpatzer wird bestraft

Chris Christie, der beleibte Gouverneur von New Jersey, hatte mit seinem aggressiven Auftreten in der TV-Debatte am Wochenende den größten Anteil daran, dass die Karten neu gemischt wurden. Ihm haben Kasich und Bush es zu verdanken, dass sie Rubio, der nach Iowa im Aufwind war, in New Hampshire überholen konnten. Christie selbst hat wenig davon. Sein sechster Platz mit sieben Prozent reicht zum Überleben, nicht aber, um den Glauben seiner Unterstützer zu stärken, dass er zum Favoritenkreis gehört.

Der 44-jährige Senator aus Florida ist der Verlierer im „Granite State“. Der Vorwurf, dass Marco Rubio zu unerfahren für das höchste Amt im Staat sei und mit auswendig gelernten Sätzen dem Publikum nach dem Mund rede, stand bereits zuvor im Raum. Sein Patzer in der TV-Debatte, als er einen Angriff auf Obama drei Mal nahezu wortgleich wiederholte, hat diese Kritik bestätigt und wird ihm lange nachhängen. Immerhin gestand er das ein: Das schlechte Abschneiden „geht auf mein Konto“, sagte er seinen Wahlhelfern. „Das wird nie wieder passieren.“

Rechtsaußen Ted Cruz mit Achtungserfolg

Ted Cruz darf zufrieden sein. Für den 45- jährigen Senator aus Texas, der die rechten Wähler umwirbt, war New Hampshire kein so günstiges Pflaster wie Iowa mit der religiösen Rechten. Sein dritter Platz mit zwölf Prozent ist achtbar. Wahlen in den USA werden jedoch in der Mitte entschieden. Den Weg dorthin hat er noch nicht gefunden.

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