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John McCain

© AFP

US-Wahlkampf: Kampf mit dem Frust

Vor dem letzten TV-Duell gegen Obama muss McCain schlagen die Wellen hoch, vor allem bei Wahlkampfauftritten des Republikaners. Inzwischen versucht McCain seine Anhänger zu bremsen - die negativen Wahlkampfspots gegen Obama laufen aber weiter.

Drei Wochen vor dem Wahltag hat die Präsidentschaftskampagne in den USA einen neuen Wendepunkt erreicht. Kurz bevor John McCain und Barack Obama sich zur letzten ihrer drei Fernsehdebatten in der Hofstra-Universität auf Long Island im Staat New York treffen, schrecken emotionale Exzesse bei einigen Wahlkampfauftritten Amerika auf. Beide Spitzenkandidaten rufen nun ihre Anhänger zur Mäßigung auf.

Die Gefühlsausbrüche, die Amerika beunruhigen, ereigneten sich fast alle bei Veranstaltungen John McCains und seiner Vizekandidatin Sarah Palin in der vergangenen Woche. In den hart umkämpften Staaten Florida, Wisconsin, Ohio, Pennsylvania und Minnesota skandierte das Publikum „Terrorist“ oder „Lügner“, als die Rede auf „unseren Gegner“ kam oder der Name Obama fiel. Bei einem Palin-Termin in Florida rief ein Mann „Tötet ihn!“ Bei McCain-Auftritten in Wisconsin und Pennsylvania gab es Sprechchöre „Kopf ab!“ McCain-Anhänger leiten ihre Fragen häufig mit Bekenntnissen ein, dass sie „diesem Muslim“ – gemeint ist Obama – nicht über den Weg trauen.

Die Äußerungen sind teils Ausdruck der wachsenden Frustration unter Republikanern, teils Folge einer aggressiven Wahlkampfstrategie. Seit Ausbruch der Finanzkrise vor vier Wochen steigt Obama anscheinend unaufhaltsam in den Umfragen. John McCain findet bisher kein Rezept, um den Trend zu wenden. Seit zehn Tagen haben er und Palin die Angriffe auf den Demokraten verschärft. In TV-Werbespots und bei Auftritten nannten sie Obama einen „Terroristenfreund“: Er sei angeblich ein Kumpel von Bill Ayers. Der hatte in den 70er Jahren gewaltsam gegen den Vietnamkrieg protestiert; heute ist er Pädagogikprofessor in Chicago. Sie porträtierten Obama als typischen Vertreter der korrupten Chicagoer Politik und behaupteten, er unterstütze Wahlbetrug zugunsten der Demokraten. Sie schürten Misstrauen mit der Frage: „Wer ist Obama in Wahrheit?“

Neuerdings dämpft McCain die Emotionen. Als eine Frau in Lakeville, Minnesota, Obama „diesen Araber“ nannte, fiel er ihr ins Wort: „Er ist ein ehrbarer Amerikaner und ein guter Familienvater. Uns trennen nur politische Meinungsverschiedenheiten.“ Über das Wochenende hatten US-Medien analysiert, die Berichte von den Zornesausbrüchen im Wahlkampf hätten McCain weiter geschadet.

Vergleichbare Auswüchse bei Auftritten Obamas und seines Vizes Joe Biden wurden bisher nicht bekannt. Nur Buhrufe gegen McCain und Palin sind öfter zu hören. In Ohio ging Obama am Montag sogleich dazwischen: „Das können wir nicht gebrauchen. Wir wollen uns auf unsere politischen Ziele konzentrieren.“ Im Eishockeystadion von Philadelphia wurde Sarah Palin am Wochenende ausgebuht, als die selbsternannte „Hockey Mum“ die Ehre hatte, den Puck zum Spielbeginn aufs Eis zu werfen. Der Stadionsprecher rief das Publikum zu Fairness auf und drehte die Musik auf, um die Buhrufe zu übertönen.

Medienexperten, die die Botschaften der Werbespots analysieren, sagen, McCain habe in jüngster Zeit „zu nahezu 100 Prozent“ negative Werbung geschaltet – gemeint sind persönliche Angriffe auf den Gegner. Obama verbreite zu einem Drittel „negative ads“ und werbe zu zwei Dritteln mit positiven Versprechen.

Im Schnitt der nationalen Umfragen führt Obama derzeit mit 6,9 Prozent. Noch wichtiger nehmen US-Wahlexperten den Ausbau seiner Führung in umkämpften Staaten, die 2004 für Bush gestimmt hatten, wie Florida, Virginia, Ohio oder Nevada. Vernehmlich wird allerdings auch die Frage gestellt, wie zuverlässig diese Umfragen seien. Nie zuvor ist ein schwarzer Kandidat so weit gekommen. Den Demoskopen fehlen Erfahrungswerte, wie sie Faktoren wie Rassenvorbehalte bei der Bearbeitung ihrer Daten einpreisen sollen.

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