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US-Präsident Barack Obama will die Steuern für Einkommen über 250 000 Dollar erhöhen.

© AFP

USA: Die Zeit wird knapp

Demokraten und Republikaner streiten in den USA über mögliche Steuererhöhungen. Bei den Verhandlungen über die „Fiskal-Klippe“ manövrieren sie sich in eine Sackgasse hinein.

Im Ringen, wie die USA eine Rezession durch die zum Jahresende drohende „Fiskal-Klippe“ vermeiden und zugleich ihre Schulden abbauen können, verhärten sich die Fronten zwischen den Demokraten unter Präsident Barack Obama und den Republikanern, die im Abgeordnetenhaus die Mehrheit haben. Beobachter warnen, dem Land drohe eine ähnlich harte Auseinandersetzung wie im Sommer 2011, als der Streit um die Schuldenobergrenze die internationalen Finanzmärkte in Panik versetzte. Der Showdown endete mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA.

Obama reiste am Freitag nach Pennsylvania und warb vor den Beschäftigten einer Kunststofffabrik in Hatfield für seinen Lösungsvorschlag. Er will die Steuern für Einkommen über 250 000 Dollar erhöhen sowie die Ausgaben für die Sozialsysteme durch Reformen des Rentensystems und der Gesundheitsversorgung der Senioren verringern. Die Republikaner verlangen dagegen, dass es bei den unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush eingeführten reduzierten Steuersätzen für alle Einkommensklassen bleibt, auch für die Reichen. Zudem sollen die Staatsausgaben stärker gekürzt werden.

Seit der Wahl im November haben beide Lager öffentlich ihre Kompromissbereitschaft betont und anerkannt, dass Präsident und Parlament rasch gemeinsam handeln müssen, um die Gefahr einer Rezession abzuwenden. Wenn nichts geschieht, steigen zum Jahresbeginn 2013 die Steuersätze für alle Einkommensklassen; sie waren zeitlich befristet. Das entzieht den Bürgern Kaufkraft. Auch der Staat kann weniger ausgeben, weil parallel die automatischen Budgetkürzungen greifen, die der Kongress bei der Erhöhung der Schuldenobergrenze 2011 beschlossen hatte. Zusätzlich erhöht sich die Abgabenlast der Unternehmen, da die Steuer für das Rentensystem, die befristet herabgesetzt worden war, auf das alte Niveau steigt. In der Summe all dieser Effekte werden der Wirtschaft – je nach Schätzung – zwei bis drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entzogen.

Beide Seiten haben versprochen, die „Fiskal-Klippe“ zu umschiffen. Sie streiten jedoch, wer wie viele Zugeständnisse machen muss, um einen Kompromiss zu erzielen. Obama sagt, er habe die Wiederwahl mit dem Versprechen gewonnen, den Steuersatz für die Reichsten von derzeit 35 Prozent auf die früher geltenden 39,6 Prozent zu erhöhen.

Die Republikaner behaupten, sie seien ebenfalls Wahlsieger, weil sie weiter eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus haben. Deshalb dürfe es keine Steuererhöhung geben. Höhere Einnahmen könne der Staat nur durch die Streichung von Abschreibungsmöglichkeiten erzielen. Sie haben bisher aber keine konkreten Vorschläge gemacht, sondern verlangen umgekehrt, zunächst müsse der Präsident detailliert darlegen, wie die Sozialausgaben zum Schuldenabbau gekürzt werden.

Je länger dieser Kampf um die Definition der Verhandlungspositionen andauert, desto weniger Zeit bleibt für die praktische Kompromisssuche vor Beginn der Weihnachtspause. Die Börsen reagierten am Donnerstag (Ortszeit) mit Nervosität auf den Machtkampf. Finanzminister Timothy Geithner, der zunehmend in die Rolle des Verhandlungsführers rückt, überbrachte dem republikanischen Sprecher des Abgeordnetenhauses, John Boehner, am Donnerstagmorgen die Vorschläge des Präsidenten. Boehner lehnte sie mittags ab und bewertete sie als „ enttäuschend“. Der Aktienindex Dow Jones verlor binnen wenigen Minuten 60 Punkte, erholte sich zum Abend aber wieder. Am Freitag gab es kaum Veränderungen.

Nach Darstellung der meisten US-Medien haben zahlreiche republikanische Abgeordnete und Senatoren unrealistische Vorstellungen, was sie nach dem Wahlausgang durchsetzen können. Viele glaubten, sie könnten den Präsidenten zwingen, die Erhöhung der Steuersätze für Reiche aufzugeben. Boehner müsse noch Überzeugungsarbeit in die Fraktion hinein leisten. Zugleich unterstreichen die Medien, Obama habe in dem von Geithner übergebenen Dokument keine neuen Vorschläge gemacht, wie er die staatlichen Zuschüsse zu den Sozialsystemen reduzieren wolle, sondern nur seine Wahlkampfpositionen wiederholt.

Die Zuspitzung des Streits auf den Höchststeuersatz dient vor allem der öffentlichen Darstellung der Auseinandersetzung. In der Praxis hat diese Ziffer wenig Bedeutung. Einkommensmillionäre wie der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney zahlen dank diverser Vergünstigungen reale Steuersätze um 14 Prozent. Konzerne mit Milliardenumsätzen wie General Electrics zahlen in manchen Jahren überhaupt keine Steuern. Die Einigung auf eine Begrenzung der Abschreibungsmöglichkeiten ist überfällig. Diese Materie erscheint beiden Lagern aber zu kompliziert für die politische Auseinandersetzung.

Eine zusätzliche Komplikation für die Verhandlungen um die Vermeidung der „Fiskal-Klippe“ ergibt sich aus dem Schuldenstand. Die USA werden die neue Obergrenze von 16,4 Billionen Dollar, die der Kongress 2011 beschlossen hatte, Ende Dezember erreichen. Mithilfe von Bilanzierungstricks lässt sich die dann drohende Zahlungsunfähigkeit der Regierung bis Anfang Februar 2013 verzögern.

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