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USA: Geheimdienste außer Kontrolle?

Die US-Geheimdienste wurden nach dem 11. September 2001 massiv ausgebaut – selbst die Regierung hat nicht mehr den Überblick.

Der Terrorangriff auf New York und Washington am 11. September 2001 habe die USA zu einer Überreaktion verleitet. Zu diesem Schluss kommt die „Washington Post“ in einer ausführlichen Studie über die drastisch gestiegenen Aktivitäten der Geheimdienste. Die Artikelserie, die parallel zu der am Dienstag begonnenen Kongressanhörung von General James Clapper erscheint, den Präsident Barack Obama als neuen Koordinator der Dienste ernennen möchte, erregt Aufsehen in Amerika. Nach den Recherchen der Zeitung funktioniert die demokratische Kontrolle wegen des rasanten Ausbaus nach 9/11 nicht mehr. Es habe auch niemand mehr den Überblick über die Arbeit der Geheimdienste.

Verteidigungsminister Robert Gates sagte der „Washington Post“: „Der Ausbau nach 9/11 war so groß, dass es eine Riesenherausforderung ist, da noch durchzusteigen – nicht nur für den Geheimdienstkoordinator, sondern für jeden Menschen, auch den CIA-Direktor und den Verteidigungsminister.“ Nach neun Jahren seit es Zeit für eine „Überprüfung, ob die USA größere Kapazitäten aufgebaut haben, als wir brauchen“.

Ein namentlich nicht identifiziertes Führungsmitglied der Dienste sagt: „Ich werde nicht lang genug leben, um über alle Vorgänge informiert zu werden.“ Ein anderer Experte bekennt: „Mir ist nicht bekannt, dass es irgendeine Stelle in der Regierung gibt, die all diese Aktivitäten verantwortlich koordiniert.“

Das Blatt betont zugleich, der verlorene Überblick sei nicht das Ergebnis gezielter Vertuschungsbemühungen. Die zusammengetragenen Informationen stammten aus öffentlich zugänglichen Unterlagen. Das Problem sei vielmehr die Menge der Dienste, ihrer Arbeit und der Informationen, die sie sammeln. Zudem seien neben den staatlichen Angestellten auch private Firmen mit Geheimdienstaufgaben betraut worden.

Nach Darstellung des Blattes sind 1271 verschiedene staatliche Stellen und 1931 Privatfirmen in irgendeiner Weise an den Geheimdienstaktivitäten beteiligt. Sie sind verteilt über 10 000 Orte in den USA. Sie beschäftigen 854 000 Menschen, die die höchstmögliche Zugangsberechtigung zu geheimen Daten haben.

Das Ergebnis sei oft Doppelarbeit und seien Ergebnisse, die niemand mehr zur Kenntnis nehme und weiterverarbeite. 51 Organisationen in 15 verschiedenen Städten seien parallel damit betraut, die Finanzflüsse von potenziellen Terrornetzwerken zu überwachen. Bei den Auswertungen der Daten, die US-Dienste und ihre Partner im Ausland austauschten, würden jedes Jahr 50 000 Berichte geschrieben. Ein Großteil davon verschwinde ungelesen in den Archiven.

Das größte Problem der Terrorabwehr sei nicht, dass Hinweise auf Anschläge wie das Massaker in Fort Hood fehlten, bei dem ein Militärpsychologe muslimischer Herkunft 13 US-Soldaten erschoss. Sondern die Dienste erstickten an einer Überflutung mit Informationsteilen, die nutzbare Warnungen enthalten, wenn man sie zusammenführt. Doch das gelinge wegen der Masse des Materials nicht mehr. Das gelte auch für den Anschlag auf ein US-Flugzeug von Amsterdam nach New York an Weihnachten.

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