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Politik: „USA haben die Freilassung sabotiert“

Angehörige von britischer Geisel kritisieren Irakkoalition / Italienerinnen angeblich getötet

Die britische Regierung lehnt Verhandlungen oder ein Eingehen auf die Forderungen von Geiselnehmern im Irak weiterhin ab – obwohl sich die britische Geisel Kenneth Bigley in einem VideoAppell direkt an Premierminister Tony Blair gewandt hatte. „Dies würde das Leben vieler Menschen aufs Spiel setzen, nicht nur im Irak, in der ganzen Welt“, sagte Außenminister Jack Straw, der am Donnerstag noch einmal in die Wohnung der Bigleys in Liverpool telefonierte.

Bigleys Bruder Paul hatte den USA vorgeworfen, die Freilassung „sabotiert“ zu haben. „Es gab einen Hoffnungsschimmer“, sagte Paul Bigley der BBC. Das Angebot des irakischen Justizministers, die Wissenschaftlerin Rihab Taha freizulassen, habe den „Aufschub von Kens Hinrichtung“ bedeutet. Die Ankündigung führte zu offenen Differenzen zwischen der Übergangsregierung und den USA und zeige, wer in Bagdad das Sagen habe.

Die Gruppe Al Tauhid al Dschihad des Terroristen Abu Mussab al Sarkawi, die bereits die Enthauptungen mehrerer Geiseln gefilmt und im Internet verbreitet hat, entführte Bigley vor knapp einer Woche zusammen mit zwei inzwischen ermordeten Amerikanern. Sie forderte die Freilassung weiblicher irakischer Häftlinge in zwei US-Gefängnissen im Irak. Nach Angaben der USA sitzen dort aber gar keine Frauen ein. In Frage kämen nur zwei von den USA wegen ihrer Rolle bei Saddam Husseins Giftgasangriffen festgehaltene Wissenschaftlerinnen.

Die amerikanische Botschaft in Bagdad widersprach der Ankündigung des Justizministers unzweideutig. Beide Frauen seien „hochwichtige“ Häftlinge, die auf absehbare Zeit in amerikanischer Haft blieben. Allerdings gibt es Zweifel, ob die Sarkawi-Gruppe tatsächlich mit der Freilassung der beiden Wissenschaftlerinnen mit den Spitznamen „Ms Germ“ und „Ms Antrax“ zufrieden wäre, oder ob es nicht um sämtliche weiblichen Gefangenen in irakischen Haftanstalten geht.

Die Veröffentlichung des Elf-Minuten- Videos mit Kenneth Bigleys herzzerreißendem Appell wird von Experten als Versuch gewertet, einen Keil zwischen Amerikaner und Briten zu treiben. „Ich will nicht sterben. Bitte helfen sie mir, Mr. Blair. Sie sind der Einzige auf Gottes Welt, zu dem ich sprechen kann“, schluchzt Bigley auf dem Video. Bigleys Familie wandte sich wenig später erneut direkt an die Entführer. „Ihr habt der Welt gezeigt, dass ihr entschlossen seid. Nun seid barmherzig, wir wissen, dass ihr es könnt. Wir bitten als Familie um Barmherzigkeit“, sagte Bigleys Sohn Craig. Dieser Appell, vermutlich mit Hilfe von Islamexperten des Außenministeriums formuliert, wurde am Donnerstag fast stündlich in arabischen TV-Sendern gezeigt.

Doch gleichzeitig wissen alle, wie wenig Appelle nützen. Eine Terrorgruppe hatte in der Nacht zu Donnerstag behauptet, zwei am 7. September entführte italienische Entwicklungshelferinnen seien getötet worden, weil Italien nicht wie verlangt seine Truppen abgezogen habe. Die italienische Regierung sagte aber, es gebe „ernste Zweifel“ am Wahrheitsgehalt. Am Donnerstagnachmittag behauptete aber auch eine weitere Terrorgruppe, sie habe die beiden Frauen enthauptet und wolle zum Beweis ein Video veröffentlichen. Die römische Regierung kommentierte den Bericht nicht.

Unterdessen dankte der Ministerpräsident der irakischen Übergangsregierung den USA bei einem Besuch in Washington für den Sturz des Regimes von Saddam Hussein. „Danke, Amerika“, sagte Ajad Allawi am Donnerstag bei einer gemeinsamen Sitzung beider Kammern des Kongresses. Zweifel daran, ob die irakische Parlamentswahl wie geplant im Januar stattfinden könne, wies Allawi zurück.

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