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Vertrauensbildung. US-Außenministerin Hillary Clinton (im Vordergrund) hat sich in Islamabad nicht nur für ihre Amtskollegin Hina Rabbani Khar viel Zeit genommen. Sie stellte sich auch den Bürgern.

© REUTERS

USA/Pakistan: Schwieriges Verhältnis

Bei ihrem Besuch in Pakistan wird die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton mit einer Schwiegermutter verglichen – Szenen einer Wiederannäherung.

Das Terrain ist heikel, das wissen die Amerikaner. Die Beziehungen zwischen den USA und Pakistan hatten sich zuletzt so rapide verschlechtert, dass Washington sich entschied, ein hochrangiges Trio nach Islamabad zu schicken. Jeder Einzelne wäre für sich ein wichtiger Gast, doch zum Wochenende machte Außenministerin Hillary Clinton gemeinsam mit dem bisherigen Kommandeur der internationalen Truppen in Afghanistan, dem neuen CIA- Chef David Petraeus, sowie Generalstabschef Martin Dempsey ihre Aufwartung in Islamabad. Beide Seiten rüsten verbal ab. Sie wissen, dass sie einander brauchen. Dabei versuchen USA wie Pakistan weiterhin, sich eine Hintertür offenzuhalten.

Dass offensichtlich auch verletzte Gefühle eine Rolle spielen, mag die Äußerung einer jungen Unternehmerin bei einem Townhall-Meeting mit Hillary Clinton zeigen, über das pakistanische Medien berichteten. Unternehmerin Shamama sagte, „die USA sind wie eine Schwiegermutter, die nie mit uns zufrieden ist. Wir versuchen, es euch recht zu machen, aber jedes Mal, wenn ihr kommt, habt ihr eine neue Idee und sagt uns, wir tun nicht genug und müssen uns mehr anstrengen.“ Clinton, selbst seit vergangenem Jahr Schwiegermutter, lachte demnach herzhaft und antwortete durchaus charmant: „Einmal Schwiegermutter, immer Schwiegermutter, aber vielleicht können Schwiegermütter neue Wege lernen.“ Sie gab zu, die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien problematisch, „aber wir können sie nicht aufgeben“.

Schon in der Nacht nach der Ankunft saßen die Amerikaner bis früh um zwei mit Armeechef Kayani und dem Chef des Militärgeheimdiensts ISI, Ahmed Pasha, zusammen. „Ausgesprochen offene Gespräche über gemeinsame Interessen“ seien das gewesen, ließ die amerikanische Seite wissen. Natürlich spielte der Terror beiderseits der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan eine zentrale Rolle. Dabei dürfte es auch darum gegangen sein, wie intensiv die USA die afghanische Armee und Polizei nach dem Abzug ihrer Kampftruppen 2014 finanziell unterstützen. Öffentlich forderte Clinton Pakistan auf, „innerhalb von Tagen oder Wochen“, nicht Monaten oder Jahren gegen das terroristische Hakkani-Netzwerk vorzugehen, dem zahlreiche Anschläge zur Last gelegt werden. Das Netzwerk vermuten die Amerikaner in Pakistans Provinz Nord-Wasiristan. „Es ist die alte Geschichte: Du kannst nicht Schlangen in deinem Hinterhof halten und erwarten, dass sie nur deinen Nachbarn beißen“, sagte Clinton. Während pakistanische Sicherheitskreise im Gespräch mit dem Tagesspiegel in Islamabad davor warnten, die USA würden es „bereuen“, sollten sie auf die Idee kommen, nach Pakistan Bodentruppen zu schicken, bemühte sich Hillary Clinton nicht den Eindruck zu erwecken, als sei so etwas geplant. Auch heiße Druck der Pakistaner auf Hakkani nicht unbedingt eine pakistanische Militäraktion. Würden die internationalen Truppen in Afghanistan mit Informationen der Geheimdienste versorgt, könnten sie Hakkani und die Taliban davon abhalten, über die Grenze nach Afghanistan zu gehen.

Clinton betonte, dass Pakistan für den Friedensprozess wichtig sei und einbezogen werden solle. Konkret meint das offensichtlich, dass Amerika von Pakistan erwartet, seine Kontakte zum Hakkani-Netzwerk und den Taliban zu nutzten, um diese an den Verhandlungstisch für den Friedensprozess in Afghanistan zu bringen. Im Sommer habe es bereits ein erstes Treffen gegeben, das der ISI vermittelt habe, sagte Clinton in Islamabad. Die pakistanische Zeitung „Dawn“ berichtete unter Berufung auf einen hohen Sicherheitsberater, Pakistan habe sich bereit erklärt, bei der Anbahnung von Gesprächen behilflich zu sein. Die Friedensbemühungen müssen aber, betonen pakistanische Offizielle, afghanisch sein und auch afghanisch geführt werden. Armeesprecher Generalmajor Ahtar Abbas baute im Gespräch mit dem Tagesspiegel in Islamabad allerdings schon einmal vor, dass niemand Pakistan für einen eventuellen Misserfolg verantwortlich machen solle. „Sie denken, wir hätten das Hakkani-Netzwerk und Mullah Omar unter unserer Kontrolle. Das ist nicht der Fall“, sage Abbas. „Sie können aber nur etwas garantieren, über das Sie verfügen können.“ Pakistan habe lediglich Kontakte zu diesen Gruppen.

Clinton versuchte in Islamabad, US-Vorwürfe abzuschwächen, wonach Pakistan das terroristische Hakkani-Netzwerk etwa beim Angriff auf die US-Botschaft und das Hauptquartier der Isaf-Schutztruppe in Kabul Mitte September unterstützt habe. Ein Vorhaben, das allerdings durch fast gleichzeitige neue Anwürfe eines Senators in den USA konterkariert wurde. Außenministerin Hina Rabbani Khar gestand zu, dass auch auf pakistanischer Seite nicht alles zum Besten stehe. „Gibt es sichere Rückzugsgebiete?“, fragte sie auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. „Ja, es gibt sie – beiderseits der Grenzen. Müssen wir zusammenarbeiten? Ja, wir können kooperieren und bessere Ergebnisse erzielen.“ Präsident Asif Ali Zardari unterstrich, als Nachbar habe Pakistan Interesse an Frieden, Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in Afghanistan und man wolle dazu beitragen. Pakistan unterstütze einen afghanisch geführten Versöhnungsprozess. Er forderte die US-Gäste aber auf, die gemeinsamen Anstrengungen nicht durch öffentliche Anschuldigungen zu untergraben.

Offenbar will auch Afghanistans Präsident Hamid Karsai die belasteten Beziehungen zum Nachbarn verbessern. Auch er hatte Pakistan vorgeworfen, den Terror zu unterstützen. In einem Interview mit dem pakistanischen Fernsehsender Geo versicherte Karsai, Pakistan sei Afghanistans Bruder und „Afghanistan betrügt nie einen Bruder“. Sollte, „was Gott verhüten möge, irgendwann ein Krieg zwischen Pakistan und den USA ausbrechen, werden wir zu Pakistan stehen“. Karsai nahm auch Stellung zum Terror. „Diese Terroristen“ seien in Pakistan und Afghanistan aufgezogen worden. Dafür könne man keine ausländischen Mächte verantwortlich machen. „Das ist unser eigenes Scheitern.“

Pakistan fühlt sich überfordert und seinen Beitrag missachtet, wie Gespräche mit Vertretern der Sicherheitsapparate zeigen. Islamabad macht geltend, seine Armee habe die Grenzen der Belastbarkeit erreicht, mit 150 000 Mann habe Pakistan allein im Grenzgebiet zu Afghanistan mehr Soldaten stationiert als die internationale Gemeinschaft in ganz Afghanistan. Zudem seien die eigenen Verluste höher als die der gesamten internationalen Truppen. Dort, wo die pakistanische Armee gegen die Taliban vorgegangen sei, halte Pakistan das Terrain, auf der gegenüberliegenden Seite der Grenze, etwa in der afghanischen Kunar-Provinz aber, seien die Amerikaner abgezogen, „weil sie sich nicht halten konnten“. Dort gebe es sichere Zufluchtsorte für Terroristen, die von dort aus Pakistan angriffen, reklamierte ein entnervter pakistanischer Sicherheitsberater im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Es gibt auf der anderen Seite die Notwendigkeit, mehr zu tun.“ Im Übrigen mache das Hakkani-Netzwerk „maximal 15 Prozent“ des Problems aus. „Selbst wenn wir sie eliminieren würden, wäre das Problem nicht gelöst.“ Nach pakistanischer Lesart gibt es im Land ohnehin keine Basen des Hakkani-Netzwerks, gegen die man vorgehen könnte. Diese Leute operierten in kleinen Gruppen, vorwiegend in Afghanistan.

Pakistan werde sicher keine Truppen von der Grenze nach Indien abziehen, um gegen das Hakkani-Netzwerk vorzugehen. Wenn andere Provinzen langfristig stabil seien, könne sich die Armee eventuell später um Nord-Wasiristan kümmern, heißt es. Dort werden Rückzugsorte des Hakkani-Netzwerks vermutet. Außerdem, so der empörte Pakistaner, könne man ein „Monster Frankenstein, das in 40 Jahren herangezogen worden ist, nicht in zwei oder drei Jahren vernichten. Das dauert mindestens zehn bis 15 Jahre.“ Für den Mann aus dem Sicherheitsapparat sind die Anschuldigungen der USA gegen Pakistan vor allem ein Ablenkungsmanöver vom eigenen Scheitern in Afghanistan für das heimische Publikum mit Blick auf die Wahlen. „Das ist wie damals in Vietnam. Da haben sie kurz vor Schluss auch Kambodscha beschuldigt.“

Bei den Gesprächen der USA und Pakistans in Islamabad ging es offenkundig nicht nur um Aktionen gegen den Terror, sondern auch um wirtschaftliche Unterstützung, die sich die pakistanische Seite für das auch ökonomisch angegriffene Land erhofft. Islamabad wünscht sich beispielsweise Zollerleichterungen für Textilprodukte, wie sie Indien und Bangladesch schon erhalten. (mit rtr)

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