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© AFP

USA: Präsident Obama verbreitet Zuversicht

Zur besten Sendezeit trat Präsident Obama am Dienstag vor die Kameras und stellte sich den Fragen ausgewählter Journalisten.

Äußerlich sieht es gar nicht nach einer Pressekonferenz aus. Der East Room des Weißen Hauses mit den schweren Kristalllüstern, Ölgemälden und golddurchwirkten Gardinen wirkt dafür eine Spur zu edel. Und in den folgenden 55 Minuten, nachdem Barack Obama Schlag 20 Uhr Ortszeit den Saal betreten hat, gibt keiner der rund 160 Journalisten mit den sonst üblichen Signalen zu erkennen, dass er dem Präsidenten gerne eine Frage stellen würde. Niemand macht Handzeichen oder ruft laut, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Wozu auch? Obama hat eine Liste mit den Namen derer vor sich liegen, die sein Presseteam vorab ausgewählt hat. Dreizehn werden es am Ende sein, darunter wieder kein ausländischer Korrespondent, nur Amerikaner, Das nimmt der Begegnung mit den Medien etwas von der Dynamik, die man eigentlich erwarten dürfte.

64 Tage ist Obama nun im Amt, erst zum zweiten Mal stellt sich der neue Präsident den Fragen der Journalisten. Konfliktstoff hat sich genug angehäuft über die jüngsten Wochen. Die Wirtschaftskrise zieht sich in die Länge, die Hoffnungen auf eine Erholung werden immer weiter hinausgeschoben. Die Republikaner laufen Sturm gegen Obamas Ausgabenprogramme, während er daran erinnert, dass er ein gigantisches Haushaltsdefizit von Bush geerbt habe. Das Volk empört sich über Boni für Manager, die ihre Firmen mit Steuermilliarden retten lassen.

Obama möchte besänftigen und seine Ziele erklären. Deshalb tritt er zur besten Sendezeit vor die Kameras. Die Fragen sind kritisch, aber er antwortet nicht kurz und prägnant, sondern nimmt sie als Stichworte, um kleine Reden über das jeweils aufgeworfene Thema zu halten, wie ein Professor. Die nehmen dann schon mal vier bis fünf Minuten in Anspruch, jedenfalls in der ersten halben Stunde. Etwas zäh hat er begonnen, hat erstmal eine sieben Minuten lange Einführung vom Teleprompter abgelesen: einem großen Bildschirm gegenüber vom Rednerpult, auf dem der Redetext abgespult wird. Wohlwollende Fernsehkommentatoren werden ihn hinterher dafür loben. Es sei weise, dass er in der instabilen Wirtschaftslage auf jedes Wort achte und das Risiko vermeide, in freie Rede Formulierungen zu gebrauchen, die man missverstehen könne.

Aber so wirken die Eingangsbemerkungen wie ein Zusammenschnitt aus den Reden der jüngsten Zeit. Die Krise sei nicht über Nacht gekommen, und es sei auch keine rasche Lösung zu erwarten. Er bittet um Geduld, die Gegenmaßnahmen werden erst mit der Zeit greifen. Steuererleichterungen für 95 Prozent der Bürger habe seine Regierung beschlossen, den Immobilienmarkt stabilisiert und die Voraussetzungen geschaffen, dass die Banken wieder Kredite vergeben können.

Er will den Bürgern Zuversicht vermitteln, möchte ihren Ärger aufnehmen, ohne ihn populistisch zu verstärken. Denn "nur wenn wir wie eine Nation zusammenstehen, werden wir uns retten". Auch er empöre sich über die Boni für Manager, die ihre Firmen in die Pleite geführt haben, aber man dürfe deshalb nicht jeden Investor und jeden Banker dämonisieren. Warum er sich tagelang Zeit gelassen habe, ehe er seine angebliche Empörung über die Boni äußerte, wird ihm etwa in der Mitte der Pressekonferenz CNN-Reporter Ed Henry entgegen halten. "Weil ich mich erst kundig machen möchte, ehe ich rede", entgegnet Obama, ein wenig ungehalten. Es ist seine kürzeste und seine schärfste Antwort. Jetzt erst scheint er voll bei der Sache zu sein.

Bis dahin hatte er fast zu ruhig und abgeklärt gewirkt, vielleicht auch ein wenig müde. Seinen Antworten fehlte das Feuer. Warum sollen die Bürger Vertrauen in den neuen Plan zur Bankenrettung haben? Warum verlangt er den Bürgern nicht offen Opfer in der Krise ab? Was wird er tun, wenn der Kongress seinen Budgetplan zu sehr verändert - verweigert er dann die Unterschrift? Und bricht er mit der Verschuldung, die er mit seinem Ausgabenprogramm in der Krise nochmals drastisch erhöht, nicht sein Versprechen, man dürfe die Zeche nicht kommenden Generationen aufbürden?

Obama wirbt für seine Politik, er argumentiert und legt Prioritäten klar. Aber zunächst klingt es nicht, als kämpfe er. Am Mittwoch will er in den Kongress gehen, um für seinen Haushaltsentwurf zu werben. Er sehe keine Alternative zu den Investitionen in eine Gesundheitsreform, in Bildung und in eine Energiewende, sagt er. Die Gesundheitskosten seien der Hauptausgabentreiber. Werden sie nicht gebremst, gebe es keine Aussicht, überhaupt wieder ein ausgeglichenes Budget zu erreichen. Wenn Amerika nicht mehr Geld für Bildung ausgebe, werde es seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China und Indien verlieren. Und ohne die Energiewende sei das Wachstum nicht zu bekommen, das die USA brauchen, um die Schulden für die nötigen Investitionen wieder abzubauen. Jetzt kommt er in Fahrt, nun teilt er auch mal aus, statt nur zu erklären. "Meine republikanischen Kritiker haben ein kurzes Gedächtnis." Schließlich habe er die Krise und die Schulden von Bush geerbt. Die Antworten sind zwar noch immer ziemlich ausführlich, gemessen an Pressekonferenzen anderer Politiker. Aber Obama gelingt es allmählich, deren durchschnittliche Länge zu halbieren, auf zwei bis drei Minuten.

Warum reduziert er in der Krise die Steuerabschreibungsmöglichkeiten für Vermögende, wo will er im Verteidigungshaushalt sparen, wie geht er mit der Kritik am US-Kapitalismus um und was ist aus der Erwartung geworden, der erste dunkelhäutige Präsident werde die Rassenbeziehungen grundlegend verändern? Nun lächelt Obama sogar bisweilen, als freue er sich auf die Antwort. Seine Amtseinführung galt als historischer Moment, "aber das währte genau einen Tag", dann seien ihm andere Prioritäten aufgezwungen worden, spielt er auf die Finanzkrise an. "Daran messen mich die Bürger jetzt. Und das ist okay." Mit seinen Ausgabenprogrammen zur Konjunkturankurbelung stehe er nicht alleine da. Australien, Großbritannien und weitere Länder unterstützten ihn - und der Dollar sei sogar gestiegen. Die Welt vertraue eben auf Amerikas Wirtschaftskraft und die Stabilität seines politischen Systems.

20 Uhr 50, "letzte Frage" ruft ein Mitarbeiter in den Raum. Obama nutzt die dreizehnte und letzte Frage nach den Friedensaussichten im Nahen Osten angesichts der neuen rechten Regierung in Israel zu einem politischen Rundumschlag. "Es wird dadurch nicht einfacher", aber "ich glaube an die Kraft der Hartnäckigkeit", ob im Nahen Osten oder in der Innenpolitik. "Der Status quo ist unhaltbar geworden." Konsequentes Bemühen lohne sich. Als sein Finanzminister Geithner den ersten Bankenplan vorstellte, habe es Kritik gehagelt. Jetzt, beim zweiten Anlauf, habe die Börse positiv reagiert. "Ich setze auf Fortschritt mit der Zeit. Wir bewegen uns in die richtige Richtung." Um 20 Uhr 55 verlässt Obama den East Room. Zurück bleibt das Gefühl, die Pressekonferenz hätte jetzt erst so richtig beginnen können.

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